Bill Browder, Sergej Magnitsky und DER SPIEGEL

Am 23. November 2019 brachte DER SPIEGEL einen 4-Seiten-Artikel ("Story ohne Held") über den Fall Magnitsky. Der Artikel war eine mediale Sensation.
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Am 23. November 2019 brachte DER SPIEGEL einen 4-Seiten-Artikel ("Story ohne Held") über den Fall Magnitsky. Der Artikel war eine mediale Sensation. Zum ersten Mal bezweifelte ein großes Mainstream-Medium die Stichhaltigkeit von Bill Browders Erzählungen über die grausame Ermordung des unerschrockenen Whistleblowers und Menschenrechtsaktivisten Sergej Magnitsky in einem russischen Gefängnis. Der Fall hatte Weltgeschichte geschrieben. Er hatte die Begründung sowohl für den ersten "Magnitsky-Act" von 2012 als auch den zweiten "Global Magnitsky-Act" von 2017 in den USA und den alsbald folgenden Gesetzen in Estland, Kanada, Litauen und Lettland geliefert. Das mediale Echo war gewaltig: die New York Times, die Washington Post und die Financial Times berichteten, die großen europäischen Medien schlossen sich an und es kam zu tausenden von Artikeln, TV-Berichten und Talkrunden, in denen Bill Browders Narrative wieder und wieder erzählt wurden. Das EU-Parlament blieb in dieser Sache nicht untätig und forderte 2019 in einer Resolution von allen 28 Mitgliedsländern die Verabschiedung entsprechender "Magnitsky-Acts". Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden zur Zeit in einer entsprechenden Petition zum Handeln aufgefordert.

Bill Browder brauchte drei Wochen für eine 13-seitige Erwiderung. In einem Brief (v. 11.12.19) an die Chefredaktion des SPIEGEL und den Deutschen Presserat monierte er, dass der SPIEGEL-Artikel jede Menge faktischer Fehler sowie falsche und irreführende Schlussfolgerungen enthalte. Er appellierte an die Chefredaktion, die wahrheitswidrigen Behauptungen zurückzunehmen und sich bei der Familie von Sergej Magnitsky zu entschuldigen.

 

Der SPIEGEL, offenbar gut vorbereitet, reagierte umgehend. Schon am 13. Dezember 2019 erschien auf SPIEGEL-online ein ausführlicher Report ("Warum der SPIEGEL an der Magnitsky-Recherche festhält"), in dem alle Vorwürfe zurückgewiesen wurden. Mit ausführlichen Begründungen und vielen Zitaten (und den entsprechenden Links) aus teilweise schwer zugänglichen Quellen (darunter Gerichtsurteile, Verhörprotokolle, Stellungnahmen, Videoaufnahmen usw.). Der SPIEGEL hatte Browder zuvor die Möglichkeit gegeben - unter anderem in zwei jeweils zwei Stunden dauernden Gesprächen schon im Sommer - zu allen Punkten des Reports Stellung zu beziehen.

 

Der Report ist wirklich lesenswert - und er erinnert mit einer gewissen Wehmut daran, was guter investigativer Journalismus vermag und wozu die Spiegel-Redaktion mit ihren Recherchemöglichkeiten fähig ist.

 

Allerdings: die Geschichte in der Geschichte fehlt leider. Das Lügenkonstrukt ist schon länger bekannt, wobei der eigentliche Skandal darin besteht, dass es von den Medien und der Politik weiterhin verbreitet wird. Wenn der SPIEGEL jetzt so tut, als hätte er die Geschichte recherchiert und aufgedeckt, ist das nicht ganz richtig. Denn der renommierte russische Regisseur, Andrei Nekrasov, Grimme-Preisträger von 2013, hat schon vor vier Jahren über den Fall ein aufwändig produziertes und von der ersten bis zur letzten Minute spannendes 2-Stunden-Doku-Drama gedreht, in dem Bill Browder's Tricksereien aufgedeckt werden. Der Film "The Magnitsky Act - Behind The Scenes" wurde mit Beteiligung und Unterstützung von ARTE und ZDF produziert, für das deutsche und französische Publikum synchronisiert, von der ARTE-Redaktion auch endgültig abgenommen und der Sendetermin in den Programmvorschauen angekündigt. Die Uraufführung sollte am 3. März 2016 im Europäischen Parlament stattfinden und der Film dann am 3. Mai (am "Tag der Pressefreiheit") auf ARTE gesendet werden.

 

Doch der Film ist nie uraufgeführt und nie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt worden. Eine Intervention von Bill Browder, tatkräftig unterstützt von Marlieluise Beck (Grüne), Andreas Gross (Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europa-Rates, Bernd Fabritius (stellvertretender Vorsitzender des Menschrechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung) u.a. konnte in letzter Minute bewirken, dass der Film abgesetzt wurde. Diese Geschichte hat der SPIEGEL leider nicht erzählt. Was bedauerlich ist, denn sie ist nicht minder interessant und nicht minder skandalös als die eigentliche Magnitsky-Story. Der Öffentlichkeit bekannt wurde diese Geschichte in der Geschichte, dieser Medien-Skandal im politischen Skandal, erst durch die Berichterstattung in den alternativen Medien, namentlich Telepolis, Nachdenkseiten, KenFM und Russia Today.

 

Der Regisseur zeigt jetzt seinen Film in öffentlichen Veranstaltungen, so z.B. auf dem "Telepolis-Salon" am 13. Juni in München und zuletzt am 23. November im Rahmen der Deutsch-Russischen Friedenstage in Bremen, wo weltnetz.tv auch ein ausführliches Interview mit ihm führen konnte. Mehr Informationen auf http://www.magnitskyact.com. Hier kann auch die englische Version des Films angesehen werden.

Am 23. November 2019 brachte DER SPIEGEL einen 4-Seiten-Artikel ("Story ohne Held") über den Fall Magnitsky. Der Artikel war eine mediale Sensation.