Jordanien verweigert „Transfer“ von Palästinensern der Westbank

Jordanien verweigert „Transfer“ von Palästinensern der Westbank
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Die 18 Familien, die in Khirbet Ein a-Rahash im Jordantal Schafzucht betrieben, hielten lange Provokationen israelischer Siedler stand, die Fenster zerschlugen und Menschen verprügelten. Zwei Tage nach dem 7.Oktober 2023 wurde das Dorf von Siedlern blockiert und Menschen und Tiere von der Wasserversorgung abgeschnitten. Frauen und Kinder verließen am 13. Oktober ihren Heimatort, drei Tage später folgten die Männer. Wenn im Westjordanland die „regelbasierte internationale Ordnung“, genauer: die 1951 von Israel unterzeichnete Genfer Konvention zur Anwendung käme, hätten die Rechte dieser Menschen von den Besatzungstruppen, den Israel Defensiv Forces (IDF) geschützt werden müssen. Deren Auftrag war aber, die Aktionen der Siedler zu flankieren. Es half auch kein Gericht, weil der israelische Staat und viele seiner Bürger das Westjordanland für ein ihnen gottverheißenes Territorium halten und es „Judäa und Samaria“ nennen. Immer wieder werden von Siedlern besetzte „Außenposten“ vom Sicherheitskabinett legalisiert. Arabisches Land kann auch vom Staat enteignet werden, wenn es militärisch geboten scheint.

Für die IDF war das Westjordanland schon jahrelang hauptsächliches Operationsgebiet, weshalb sie am 7. Oktober 2023 viele Stunden brauchten, um den von der Hamas angegriffenen Süden zu verteidigen.

Die mit der illegitimen Landnahme einhergehenden Auseinandersetzungen kosteten jährlich auch mehreren hundert Palästinensern das Leben. Die internationale Gemeinschaft nahm das hin. Als der Siedleraktivismus seit dem 7. Oktober weiter zunahm, stoppten die USA zwar die Lieferung von Gewehren, die für israelische Zivilisten im Westjordanland bestimmt gewesen waren. Das blieb bedeutungslos, weil viele Siedler jetzt Uniform und Waffen der IDF tragen.

Da die infolge der Oslo-Verträge entstandene Autonomiebehörde zur Zusammenarbeit mit Israel verpflichtet ist, kann sie palästinensische Bürger nicht vor Übergriffen schützen. Westliche Medien berichten nichts anderes über sie, als dass sie unfähig und korrupt sei. Verschwiegen wird, dass die für die Westbank bestimmten Hilfsgelder an israelische Banken gesendet werden müssen und schon öfter nicht weitergeleitet wurden, wenn die Autonomiebehörde ein der Besatzungsmacht nicht genehmes Verhalten wagte. Daher gibt es im Westjordanland Verzweiflungstaten Jugendlicher, aber kaum organisierten Widerstand. Unter diesen Umständen konnte die Hamas erhebliche Sympathien gewinnen.

Wäre auf den auch unter der Regierung Jitzchak Rabins stattfindenden Siedlungsbau und den auf Annexion zielenden Landraub verzichtet worden, hätte das Westjordanland ein Terrain von Kooperation und Zusammenarbeit werden können. Aber entwurzelte Palästinenser – sogar Kinder – wurden zu billigen Arbeitskräften in israelischen Unternehmen gemacht. Es gibt kaum partnerschaftliche Geschäftsbeziehungen zwischen Israelis und Palästinensern der Westbank, wie sie ein mir bekannter Innenarchitekt aus Tel Aviv praktizierte. Bis zum 7. Oktober führte er mit einem dortigen Berufskollegen einen gemeinsamen Betrieb. Seitdem wird der Verkehr nach beiden Seiten unterbunden und die Zusammenarbeit ruht. Mein Bekannter hilft seinem Partner, indem er ihm auf riskanten Wegen etwas Geld zukommen lässt.

In Israel werden die Einwohner der Westbank und Ostjerusalems, die bis 1967 Bürger Jordaniens waren, oft noch als Jordanier bezeichnet. Dabei wird nicht anerkannt, dass es sich um besetztes jordanisches Territorium handelt. Vielmehr wünscht man sich den „Transfer“ dieser Palästinenser in das Nachbarland. Wie der Libanon wurde Jordanien aber seit 1948 durch den Druck palästinensischer Flüchtlinge und ihrer Widerstandsorganisationen destabilisiert. Seit dem 1967 verlorenen Krieg stellte es enge Verbindungen zum Westen her und schloss mit Israel einen Friedensvertrag. Es verzichtete auf das Westjordanland, allerdings nicht zugunsten Israels, sondern des künftigen palästinensischen Staats. Dass für Jordanien, wo zur Zeit 675 000 syrische Flüchtlinge leben, keine erneute Aufnahme von Palästinensern infrage kommt, stellte König Abdallah II. in einer Rede am 24. September vor der Generalversammlung der UNO klar. Entschieden wandte er sich gegen Hardliner im israelischen Kabinett, die Jordanien als „alternative Heimat“ für Bewohner des Westjordanlands propagieren: „Wir werden die Zwangsumsiedlung von Palästinensern, die ein Kriegsverbrechen darstellt, niemals akzeptieren.“ Unmissverständlich prangerte er die Repression in der Westbank und in Ostjerusalem an: Dort habe „die israelische Regierung seit dem 7. Oktober mehr als 700 Palästinenser getötet., darunter 160 Kinder. In israelischen Haftanstalten befinden sich über 10700 Palästinenser, darunter 400 Frauen und 730 Kinder […] Über 4000 Palästinenser wurden aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben.“ Und in Jerusalem, wo die von Jordanien verwalteten heiligen Stätten des Islam immer wieder von Provokationen des Innenministers Itamar Ben Gvir heimgesucht werden, „gehen die eklatanten Verstöße gegen den historischen und rechtlichen Status quo an muslimischen und christlichen heiligen Stätten unvermindert weiter.“ .

Abdallah II. bedauerte das Fehlen einer „globalen Rechenschaftspflicht“, weshalb „Gräueltaten normalisiert“ würden. Es sei „die moralische Pflicht“ der internationalen Gemeinschaft, einen Schutzmechanismus für die besetzten palästinensischen Gebieten einzurichten, was auch Israels Sicherheit diene. Auf die Abraham-Verträge anspielend sagte er: „Seit Jahren streckt die arabische Welt Israel durch die arabische Friedensinitiative die Hand entgegen und bietet im Austausch für Frieden volle Anerkennung und Normalisierung an.“ Das „moderne, fortschrittliche Israel, das aus der Ferne bewundert wird“ und das Israel, „das die Palästinenser aus erster Hand“ erleben, „können einfach nicht nebeneinander existieren.“ Es werde sich entscheiden müssen.

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