US-Expertin: NATO plant Neokolonie in Libyen

Sarah Sloan im Interview mit Telesur zum Geschehen in Libyen
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Telesur

Damit kehren wir zu den Nachrichten zurück und sind nun mit der Politanalytikerin Sarah Sloan verbunden, die uns von den USA aus zugeschaltet ist. Herzlich willkommen. Was würde zunächst geschehen, wenn es statt einem Rücktritt zu einem Sturz der Gaddafi-Regierung kommen würde? Was würde das für Libyen und den Rest der arabischen Welt bedeuten?

Nun, ich denke, dass wir zunächst eines anerkennen müssen: Was in den vergangenen Monaten passiert ist – den Widerstand in Libyen und die massiven Bombenangriffe der NATO – war so etwas wie ein Kampt zwischen David und Goliath. Es leben dort sechs Millionen Einwohner, das Bruttoinlandsprodukt macht nur einen Bruchteil des Budgets des Pentagons aus. Wir sprechen also  über ein Land, das stets unter der Dominanz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und anderer imperialistischer Mächte stand.

In dieser Situation haben sie fünf Monate Widerstand geleistet - und sie leisten ihn immer noch. Aber auch wenn wir das Gaddafi-Regime politisch nicht unterstützen können, ist eines klar: Die sogenannten Rebellen würden ein klientelistisches System im Dienst der USA und Europas errichten. Und das wäre nicht nur ein Rückschritt für Libyen, sondern auch für Afrika und den Rest der Welt.

Frau Sloan, was würde mit den Ressourcen und vor allem mit dem Erdöl Libyens im Falle eines Sturzes von Al-Gaddafi geschehen?

Wie ich gesagt habe: Die Einsetzung eines Marionettenregimes wäre ein Rückschritt hinter all das, was Gaddafi erreicht hat. 1969 gab es eine Revolution, die eine ausländischen Mächten gegenüber willfährige Monarchie beseitigt hat. In Folge wurden die Vertreter der USA, Großbritanniens und anderer ausländischer Staaten ihrer Macht beraubt und Libyen nahm sein Schicksal selbst in die Hand. Das libysche Erdöl, die größten Reserven in Afrika, wurden für die Entwicklung des Landes verwendet. Sie wurden auch für Gesundheits- und Bildungsprogramme verwendet, nicht nur in Libyen, sondern auch in anderen Staaten Afrikas und Arabiens. Es stimmt auch, dass das libysche Regime sich zuletzt einigen imperialistischen Staaten angenähert hat, um seine Märkte auszudehnen. Das bedeutet aber nicht, dass in Libyen den imperialistischen Mächten der Weg geebnet wurde. Die NATO-Intervention nun dreht die Zeiger zurück und macht Libyen zu einer Neokolonie. Es wird nicht eine Kolonie wie in den alten Zeiten, wo die Imperien herrschten. Es wird eine Neokolonie, in der es eine eigene Regierung gibt, die aber den imperialistischen Interessen ergeben ist. Die Intention der NATO ist eben das: Die Inthronisierung willfähriger Regime.

Könnte das aktuelle Geschehen in Libyen ein Präzedenzfall für Syrien sein?

Die Situation in Libyen und Syrien ist bis zu einem gewissen Punkt vergleichbar. Beide Länder haben Regierungen, die zwar nicht sehr revolutionär sind, die aber auf die Unabhängigkeit geachtet haben. Deswegen sind sie in Konflikt mit westlichen Staaten geraten. In Libyen haben die NATO-Staaten nun gesehen, dass die sogenannten Rebellen eine Opposition darstellen, die in gewissem  Maße regierungsfähig ist. Diese Leute waren bereit, eine pro-westliche Regierung zu errichten. Deswegen wurden sie unterstützt. In Syrien hingegen gibt es eine ähnliche Ausgangssituation, aber die imperialistischen Mächte sehen noch keine Kraft, die die Regierung  übernehmen könnte. Aus diesem Grund gab es in Syrien bisher nur politische Interventionen und keine militärischen. Das bedeutet nicht, dass das ausgeschlossen ist.

Frau Sloan, wie bewerten Sie denn die Rolle Europas und der Vereinigten Staaten, vor allem angesichts der Tatsache, dass beide Akteure stets auf den Sturz Gaddafis orientierten und in keinem Wort auf die tausenden Toten eingingen, die während der Kämpfe zu beklagen waren?

Dieser neue Kolonialismus, den wir erleben, weist wichtige Unterschiede zum klassischen System auf. Heute hören wir etwas von humanitärer Hilfe. Heute bombardieren Staaten wie Frankreich und Großbritannien ein Land, um es zu "retten", wie sie sagen. Sie begründen ihre Taten mit angeblichen Verbrechen Gaddafis, ohne je Beweise vorzulegen. Es ist ihnen auch gelungen, die Folgen ihres Bombenkrieges zu vertuschen. Alleine in dem vergangenen Monat hat die NATO 75.000 Bombenangriffe auf Libyen geflogen. Und am ersten Tag der Angriffe wurden 112 Raketen abgefeuert. Libyen wurde in den vergangenen Monaten verwüstet wie jedes Land, das einem Krieg zum Opfer fällt.

Wir danken Sarah Sloan für ihre Analyse der aktuellen Situation in Libyen.

Sarah Sloan im Interview mit Telesur zum Geschehen in Libyen

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