Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld im Skypegespräch nach Damaskus über die aktuellen Verhandlungen über Syriens Chemiewaffen und die weiter gültigen politischen Ziele der USA in der Region.
"Die Vorgehensweise mit der Abrüstung der Chemiewaffen ist sicherlich etwas, was Syrien vor allem sehr entgegen kommt. Das ist etwas, was die USA, aber auch Israel und Europa ja schon lange Zeit wollten. Aber auch der Iran wollte unbedingt diese Abrüstung von Chemiewaffen - als Schritt hin zu einer Region, wo es keine Massenvernichtungswaffen mehr gibt. Dafür gab es sehr viele politische Initiativen in der Vergangenheit. Und daher ist das eigentlich, was man im Neudeutsch vielleicht als eine Win-Win-Situation bezeichnen könnten: also der US-Präsident steht besser da als vorher und für Syrien und für die Region ist das auf jedenfall auch ein richtiger Schritt. Aber ich denke nicht, dass die US-Regierung grundsätzlich Abstand nimmt von den Zielen, die sie offensichtlich hier in Syrien verfolgen: Schwächung der derzeitigen Regierung, Schwächung der syrischen Wirtschaft und durch eine Destabilisierung will der Westen sicherlich versuchen, mehr Einfluss hier in der Region zu bekommen."
Selbes Ziel, anderer Weg
Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld im Skypegespräch nach Damaskus über die aktuellen Verhandlungen über Syriens Chemiewaffen und die weiter gültigen politischen Ziele der USA in der Region.
weltnetz.tv: Die USA haben sich auf einen Vorschlag eingelassen, dem sowohl die syrische, als auch die russische Regierung zugestimmt haben - von der russischen Seite ging diese Initiative auch aus. Und zwar soll das gesamte syrische Chemiewaffenarsenal erst einem internationalen Spezialistenteam zugänglich gemacht und dann zerstört werden. Und das in einem eng bemessenenen Zeitrahmen. Im Gegenzug haben die USA von dem angedrohten Militärschlag auf Syrien vorerst Abstand genommen, wenn sie erklärtermaßen ihn auch nicht ausschliessen wollen. Meine Frage: Was hat die US-Regierung dazu bewogen, nun diesen Weg einzuschlagen? Ist das überhaupt ein neuer, ein diplomatischer Weg hin zu einer politischen Lösung oder ist die Abrüstung Syriens gewissermaßen eine diplomatische Kriegsvorbereitung?
Karin Leukefeld: Die Zeit wird zeigen, wohin das führen wird. Ich denke, als erstes muss man feststellen, dass dem US-Präsidenten klar geworden ist, das seine Linie weder im eigenen Land, noch bei den Vereinten Nationen, noch bei seinen Bündnispartnern, noch überhaupt in der Weltöffentlichkeit Zustimmung gefunden hat. Es gab ganz deutlich und sehr viele Stimmen gegen einen militärischen Angriff auf Syrien. Daher hat er erstmal Abstand davon genommen. Das heißt nicht, dass er ihn aufgegeben hat, das glaube ich nicht.
Aber eine wichtige Stimme gegen einen Militärschlag war sicherlich auch, dass das US-Militär sich eindeutig dagegen ausgesprochen hat. Eine Umfrage im US-Militär hat ergeben, dass eine große Prozentzahl, weit über 60 Prozent, gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien sich ausgesprochen hat. Und ich glaube, gegen so einen massiven, öffentlichen Widerstand ist es sehr schwierig für einen US-Präsidenten - zumal er ja auch noch den Friedensnobelpreis bekommen hat - einen solchen Kriegsschlag durchzuführen.
Die Vorgehensweise mit der Abrüstung der Chemiewaffen ist sicherlich etwas, was Syrien vor allem sehr entgegen kommt. Das ist etwas, was die USA, aber auch Israel und Europa ja schon lange Zeit wollten. Aber auch der Iran wollte unbedingt diese Abrüstung von Chemiewaffen - als Schritt hin zu einer Region, wo es keine Massenvernichtungswaffen mehr gibt. Dafür gab es sehr viele politische Initiativen in der Vergangenheit. Und daher ist das eigentlich, was man im Neudeutsch vielleicht als eine Win-Win-Situation bezeichnen könnten: also der US-Präsident steht besser da als vorher und für Syrien und für die Region ist das auf jedenfall auch ein richtiger Schritt. Aber ich denke nicht, dass die US-Regierung grundsätzlich Abstand nimmt von den Zielen, die sie offensichtlich hier in Syrien verfolgen: Schwächung der derzeitigen Regierung, Schwächung der syrischen Wirtschaft und durch eine Destabilisierung will der Westen sicherlich versuchen, mehr Einfluss hier in der Region zu bekommen.
weltnetz.tv: Also das heißt, die USA haben ihre Kriegsziele im Verlauf dieses Konfliktes und im Verlauf dieser neuesten Entwicklungen nicht verändert?
Karin Leukefeld: Ich bin davon überzeugt, dass die USA einfach nur andere Wege einschlagen. Also wenn man zum Beispiel auch die jüngsten Stellungnahmen von US-Außenminister John Kerry zusammen mit den französischen Außenminister Fabius und dem britischen Außenminister Hague am Montag (16.09.2013) in Paris verfolgte, ist ganz eindeutig, dass man nun versucht, über eine neue UN-Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der UN-Charta auch einen militärischen Schlag gegen Syrien duchzusetzen. Und zwar dann auf einer internationalen Ebene, die eine Resolution, die einen Militärschlag ermöglicht, falls Syrien sich nicht entsprechend der Vorgaben verhält. Es ist also nicht eine Aufgabe des Ziels, es ist nur ein anderer Weg, dorthin zu kommen.
weltnetz.tv: Sie sagten es schon: die bisherige Strategie der USA und ihrer Verbündeten war es doch, eine Destabilisierung des Landes und der Regierung durch die Unterstützung und den Aufbau verschiedener bewaffnet kämpfender Gruppen zu erreichen. Ist denn diese Strategie soweit gescheitert?
Karin Leukefeld: Als gescheitert würde ich sie nicht bezeichnen. Es ist zweifelsohne so, dass die syrischen Streitkräfte derzeit einfach sehr viel stärker sind als die aufständischen Gruppen. Die syrische Armee ist geeint, sie kann sich militärisch besser durchsetzen, es gibt eine einheitliche Führung und es gibt auch eine relativ große Akzeptanz in der Bevölkerung für das Vorgehen besonders gegen die islamistischen Gruppen, die ja dort in den Gebieten, wo sie einmarschiert sind, auch sehr viel Zivilbevölkerung vertrieben haben.
Also auf der offiziellen syrischen Seite ist die Situation sehr geeint, sie sind praktisch wie ein solider Block, der militärisch vorgeht. Man kann es auch so verstehen, dass die Einigung zwischen (US-Außenminister) John Kerry und (dem russischen Außenminister) Sergej Lawrow jetzt kürzlich in Genf zur Abrüstung der chemischen Waffen auch ein grünes Licht signalisiert für den konventionellen militärischen Waffengang seitens der syrischen Armee; und insofern - und das hört man auch in der Umgebung von Damaskus, während wir hier gerade zusammen sprechen - sind also schwere Detonationen zu hören. Das heißt, der Krieg im Umland von Damaskus und auch in anderen Teilen des Landes geht weiter.
Auf der Seite der bewaffneten Opposition ist es so, dass es große Streitigkeiten gibt über die Vorgehensweise. Es gibt Streitigkeiten unter den verschiedenen bewaffneten Gruppen, das ist mir also auch von Seiten der UN hier in Damaskus nochmal bestätigt worden. Man spricht von bis zu 2000 verschiedenen bewaffneten Gruppierungen - Brigaden, Einheiten, Gruppen die sich der "Freien Syrischen Armee" zuordnen - und da gibt es kein einiges Vorgehen und das ist natürlich auch eine Schwäche.
weltnetz.tv: Was bedeutet denn die derzeitige Entwicklung für die Stabilität der syrischen Regierung ?
Karin Leukefeld: Die Regierung steht sicherlich erstmal besser da. Dadurch, dass sie also umgehend der Abrüstung der Chemiewaffen zugestimmt hat und auch dem internationalen Weg zugstimmt hat, also dass eine UN-Inspektion hierher kommt, dass die Waffen der internationalen Kontrolle unterstellt und letzlich dann auch vernichtet werden. Das ist sicherlich ertsmal ein positiver Schritt.
weltnetz.tv: Sie halten sich ja gerade in Damaskus auf und haben Gelegenheit, mit vielen Leuten über diese Entwicklugn zu sprechen. Auf was für Reaktionen sind sie vor Ort gestoßen?
Karin Leukefeld: Nun, man muss schon sagen: sehr gemischt. Die überwiegende Mehrheit meiner Gesprächspartner und -partnerinnen hier in den letzten Tagen begrüßt natürlich, dass es jetzt nicht zu einem US-Militärschlag gekommen ist - man hatte große Angst vor der Zerstörung. Aber auch davor, das solch ein Militärschlag es den Aufständischen ermöglichen würde, hier in die Stadt einzudringen oder überhaupt insgesamt eine Offensive zu starten. Es gibt aber auch bei diesen Leuten, die sehr positiv reagiert haben weiterhin Skepsis, ob die USA grundsätzlich einen Militärschlag ausschließen oder ob es nicht vielleicht doch in Zukunft zu einem Angriff kommen könnte.
Es gibt allerdings auch Personen, die es sehr bedauern, dass es zu diesem Angriff nicht gekommen ist. Die also gesagt haben: wir haben da eigentlich drauf gewartet. Besser, von den Amerikanern angegriffen zu werden, als hier weiter diesen internen Kämpfen ausgesetzt zu sein. Also die Bevölkerung ist da sicherlich gespalten. Wobei ich sagen muss, die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung begrüßt es natürlich, dass jetzt erstmal kein Krieg seitens der Amerikaner gegen Syrien begonnen worden ist.
weltnetz.tv: Karin Leukefeld, vielen Dank für dieses Skypegespräch nach Damaskus.
Karin Leukefeld: Ich danke Ihnen auch.
Das Gespräch wurde am 17. September 2013 aufgezeichnet.
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