"Die EU muss demokratischer werden!"

Linke-Politiker Wolfgang Gehrcke zur aktuellen EU-Debatte
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Im Entwurf für das Europa-Wahlprogramm der Linkspartei wird die EU als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" bezeichnet. Diese Formulierungen haben eine kontroverse Debatte ausgelöst. Im Gespräch mit Uli Gellermann (Rationalgalerie) beschreibt der Linke-Politiker Wolfgang Gehrcke seine Vision einer Demokratisierung der EU.

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Wolfgang Gehrcke (MdB) im Gespräch mit Uli Gellermann zu den EU-Wahlen und der Debatte in der Partei DIE LINKE über Nationalismus und Internationalismus

Uli Gellermann: In etwa vier Monaten sind die Europawahlen, die EU-Wahlen. In etwas vierzehn Tagen hat die LINKE einen Parteitag zu den Europawahlen. 
 

Wolfgang Gehrcke: Stimmt beides.

 

UG: Ja, ja. Die Europäer allerdings, anders als die Parteien in Europa, die Europäer fremdeln mit Europa. Ich sage mal zwei Zahlen: 1979 gab es noch 62 Millionen, die wählen gegangen sind zu den Europawahlen, in 2009 gibt es noch 53 Millionen. Aber es sind längst viel, viel mehr Wähler dazu gekommen. Also, es gibt keine große Nähe der Europäer zu ihrem Konstrukt. Wann hast Du denn eigentlich zum ersten mal erlebt, dass Du Europäer bist?

 

WG: Ich hab immer Schwierigkeiten mit diesem Deutschland gehabt und dieses Deutschland hat immer Schwierigkeiten mit mir gehabt. Ich war genauso zuhause in Dänemark oder bin  noch besser zuhause in der Toskana. Ich bin aber auch zuhause in Hamburg oder sonstwo. 

 

UG: Gibt es eigentlich in Deutschland ein europäisches Bewusstsein? 

 

WG: Wenn Europa gesagt wird, reden wir ja von der Europäischen Union, das ist aber nur ein Teil Europas. Leider ist die Europäische Union politisch und vielleicht auch mental in den letzten Jahren sehr stark von Deutschland geprägt worden, also die Europäische Union ist deutscher geworden, aber Deutschland ist damit nicht europäischer geworden. Dieser Blick von oben herab: ‚Es wird wieder deutsch gesprochen’, Volker Kauder von der CDU, wir sagen, was Sache ist. Das finde ich ausgesprochen unangenehm. Es ist zum Nachteil der EU und es ist auch zum Nachteil unseres Landes. Das Land ist nicht offener geworden.

 

UG: Auch in Deutschland sacken die Beteiligungszahlen bei den Wahlen. Aber meinst Du, die Deutschen hätten überhaupt kein europäisches Bewusstsein?

 

WG: Nein, das meine ich überhaupt nicht. Meine Eltern, die Generation meiner Eltern, sind aus diesem Deutschland nur einmal rausgekommen, Vater als Soldat, das war beim faschistischen Überfall auf die Sowjetunion, und Mutter als Krankenschwester. Danach sind sie aus Deutschland nie herausgekommen. Die hatten kein Geld. Und ansonsten hörte ihr Bewusstsein auch an der Grenze ihres Schrebergartens auf. Und dass das geöffnet ist! Ich habe lange Zeit darüber gespottet und dann habe ich ein schlechtes Gewissen gekriegt und dann habe ich darüber nachgedacht, dass unendlich viele Deutsche, Westdeutsche, mit ihrem Auto an den Gardasee, das war ja das beliebteste, also nach Italien gefahren sind. Und umgekehrt relativ viele Ostdeutsche Richtung Bulgarien gefahren sind, das war für beide Deutschlands ein Fortschritt. Man hat diese Befreiung gesehen in Westdeutschland in der amerikanischen Rockmusik gegen den Förster vom Silberwald und in Ostdeutschland in den russischen Weiten gegenüber der Enge des eigenen Landes. Das möchte ich nicht missen. Und das ist heute ein großes Problem: Hartz IV Empfänger können nicht mehr ins Ausland fahren, haben kein Geld mehr. Das ist ein Rückschritt zu dem, was wir schon überwunden geglaubt hatten, und das halte ich für schade.

 

UG: Du giltst als EU-Kritiker und in der öffentlichen Debatte werden EU-Kritiker gern als Nationalisten gebrandmarkt. Und wer für die EU ist, nennt sich Internationalist. Bist Du also eher ein Nationalist?

 

WG: Das ist ein Ball paradox. Nach dieser Definition wäre Angela Merkel eine glühende Internationalistin, die könnten wir glatt zur Vorsitzenden der Kommunistischen Internationale wählen, ich wäre ein finsterster Nationalist. Angela Merkel aber macht die EU kaputt, macht Europa kaputt mit ihrer Politik, ich möchte eine andere EU, möchte ein anderes Europa. Wenn wir weltweit sagen: Eine andere Welt ist möglich, was ich auch glaube, muss auch ein anderes Europa möglich sein.

Nationalist - wenn das andere über mich behaupten, dann lässt mich das kalt, ich kann gut mit der CDU und den konkurrierenden Parteien umgehen. Wenn das aus der eigenen Partei heraus gesagt wird, dann ist das eine Sauerei, weil sie es besser wissen müssten. Und dann ist es auf der Ebene einer platten Propaganda. 

 

UG: Bleiben wir bei dieser Frage, bleiben wir beim Nationalismus. Es gibt mit der AfD eine Anti-Europa-Partei, sag ich mal so verkürzt. Man sagt, sie sei eine echte Konkurrenz zur Linkspartei. Hast du vor der AfD Angst?

 

WG: Nein, ich habe keine Angst vor der AfD. Es wäre mir lieber, wenn sie Angst vor mir hätte, damit könnte ich gut leben. Das ist keine Anti-Europa-Partei, das ist eine anti-sozial-Partei, die mit jenem Spruch: ‚Es wird wieder deutsch gesprochen in Europa’ glänzend leben kann. Es ist noch nicht einmal eine anti-Euro-Partei, so weit langt es bei denen überhaupt nicht. Sie wollen, dass die deutschen Eliten in Europa bestimmend bleiben, dass sich eine Wirtschaftspolitik durchsetzt, die sich an den Interessen der Eliten misst, sie wollen ein Deutschland, das Facharbeiter und Intelligenz anwirbt, aber die einfachen Leute aus Europa, die sollen alle draußen bleiben und nichts zu sagen haben. Die AfD ist eine Elitenpartei der Eliten, die in Deutschland bestimmen wollen. Und deswegen ist sie untauglich, davor muss man keine Angst haben. Sie ist keine anti-Europa-Partei; das wäre viel zu einfach.

 

UG: Aber es scheint so, als ob sie der Linkspartei Stimmen wegnähme.

 

WG: Das könnte sein, wenn wir große Fehler machen. Rechter Populismus hat in Krisenzeiten immer Zulauf. Das kann man sehen in Frankreich, selbst in den Niederlanden, in Dänemark, wo ich so gern hingefahren bin, das ist ja eine Katastrophe. Das hat Zulauf, wenn man sich als Linke dem nicht entgegenstellt und wenn man als Linke nicht darüber nachdenkt, warum wählen Menschen, denen es nicht gut geht, möglicherweise rechts. Ich will die nicht beschimpfen, sondern ich will sie davon abbringen. Deshalb muss ich soziale Fragen thematisieren, muss im Dialog mit diesen Menschen sein.

Ich kann gut verstehen, wenn viele Menschen sagen: Warum soll ich zu den Europawahlen gehen? Ich habe selbst gut verstanden, dass viele Schwierigkeiten hatten, zu den Bundestagswahlen zu gehen, weil sie sagen, es ändert sich ja doch nichts. Also muss man glaubwürdig mit ihnen im Gespräch sein. Nicht zu viel versprechen, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen. Und die Linke muss keine Angst vor rechten Populisten haben, die Linke muss gegenhalten, muss klar und präzise sein, muss eine Zuneigung, ein Gespür für die einfachen Menschen in diesem Lande haben. Das spüren die ganz genau, ob man von ihnen was will oder ob man auf sie von oben runter guckt.

 

UG: Die Verteidiger des Status Quo in Europa sagen, das sei deshalb so notwendig, weil die EU ein Friedensprojekt ist. Wer macht denn eigentlich Frieden mit wem in Europa?

 

WG: Das ist eine spannende Frage. Um das gleich zu sagen: Mit der NATO habe ich meinen Frieden nicht gemacht, werde ich auch nicht machen. Doch es ist schon ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass in Europa die großen Länder keine Kriege mehr gegeneinander geführt haben. Das ist aber nicht Verdienst der EU. Die EU war eine Verabredung, wie man eine Wirtschaftspolitik, blockgespalten, im Westen betreiben kann, wo Deutschland mit eingebunden ist und Wirtschaftspotenzen gekoppelt werden. Mit einem Friedensprojekt hat das relativ wenig zu tun gehabt. Und man muss auch ein darauf aufmerksam machen, dass es EU-Staaten waren, wie Frankreich, die in dieser Zeit blutige Kriege in Afrika und in Indochina geführt haben. Das ist eine Legende, dass die EU als Friedensprojekt gegründet worden ist. Auch die EU war Teil des Kalten Krieges, sie ist als Projekt des Kalten Krieges gegründet worden und das merkt man ihr noch heute an.

 

UG: Stichwort Libyen, da waren ja auch europäische Länder verwickelt. Stichwort Afghanistan: Da sind ja sogar wir verwickelt. Kann es sein, dass die Kriege, die wir früher innerhalb von Europa hatten, nur exportiert worden sind?

 

WG: Ja, die werden exportiert und sind immer noch mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Wenn jetzt geredet wird, Europa – Europa, das ist schon sprachlich und gedanklich Unsinn - Europa muss in Mali und in Zentralafrika helfen, heißt das ja, schleichend über Nacht ist aus der EU auch ein Militärbündnis geworden, gibt es einen Generalstab in der Europäischen Union. Wer hat den eigentlich eingesetzt? Wer ist hier Kommandeur? In Mali geht’s um Gold, zweitgrößter Weltproduzent von Gold, da geht’s um Diamanten, da geht’s um Uran. 

Man redet über Menschenrechte und viele in der Welt, immer mehr,  wissen ganz genau, wenn der Westen über Menschenrechte redet, dann sind Naturressourcen gemeint. Und davon muss man sich abgrenzen. Ich möchte ja, dass aus den EU-Staaten einmal ein Friedensprojekt wird. Und Deutschland soll anfangen. Ich habe mich immer über die Vorstellung gefreut, Deutschland soll den Kriegsdienst verweigern. Das wäre doch mal was in der deutschen Geschichte: Wir verweigern den Kriegsdienst. Wir schicken keine deutschen Soldaten. Dann hätte sich vieles erledigt, wenn das einmal Politik würde. Nicht das, was Gauck von den Deutschen will wie jüngst auf der Münchner Sicherheitskonferenz: Mehr Soldaten, mehr Kriegsbeteiligung, wir sind wieder wer in Europa! 

 

UG: Im Entwurf des Parteivorstands der LINKEN, in diesem Europa-Programm steht ein Satz der heißt: „Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Kraft.“ Darüber gibt es eine Menge Debatte.

 

WG: Man kann immer darüber reden, ob irgend etwas `genial formuliert´ ist. Ich kann mir bessere, genialere Formulierungen vorstellen, wo man das Janusköpfige erfasst, beides, auch die Wünsche der Menschen nach mehr Frieden und Kooperation in Europa. Aber ich habe mich immer gefragt, warum solche Aufregung? Die ganze Debatte, in der LINKEN und in der Öffentlichkeit, über unser Europawahlprogramm bezieht sich auf so ein kleines Stückchen, drei Sätze in der Präambel!. Aber ich habe mich auch gefragt, was ist eigentlich falsch daran? Stimmt es, dass die EU - leider - immer mehr militärorientiert ist? Ja, das stimmt! Das kann doch keiner ableugnen. Wir haben alle protestiert, wie die EU den Friedensnobelpreis gekriegt hat. - Ist die EU neoliberal? Was an Zerstörungen hier angerichtet worden ist, in vielen europäischen Ländern, ist doch nicht von der Hand zu weisen. Und, dass sie demokratisch sei, also so verstiegen kann ja noch keiner argumentieren! In der EU entscheiden nicht Volksmassen, noch nicht mal Parlamente. In der EU gibt es abgehobene Gremien, die den nationalen Regierungen diktieren. Wer hat die Troika gewählt? Also, ich nicht!

 

UG: Ich auch nicht.

 

WG: Und die Troika geht nach Griechenland und sagt: So, jetzt ist Schluss! Sie sagt denen auch, ihr braucht einen neuen Staatspräsidenten, weil der alte - der sehr viel Murks fabriziert hat - eine Volksabstimmung machen wollte. Die wirken dafür, dass in Italien ein anderer Präsident kommt. Wer hat solche Einrichtungen gewählt? Überhaupt keiner. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.

 

UG: Ich kann mich sogar erinnern, dass die Formulierung gedeckt ist durch ein anderes Parteiprogramm, das von Erfurt …

 

WG: Ja klar.

 

UG: Und das ist mit einer, glaub ich, sehr hohen Mehrheit verabschiedet worden.

 

WG: Ja, in einer Urabstimmung mit über 90 Prozent. Aber ich will mich auch nicht immer auf Programme zurückziehen …

 

UG: Nein, aber gibt es denn gravierende Unterschiede zwischen diesem Satz und dem, was im Erfurter Programm steht?

 

WG: Nein, gedanklich überhaupt nicht. Ich will mich nicht auf Programme zurückziehen. Ich bin schon immer für eine lebhafte, streitbare Debatte. Ich habe mit Diether Dehm zusammen einen Alternativvorschlag gemacht. Eigentlich auch aus dem Wunsch, weil wir wollten, dass die LINKE und ein Teil der Öffentlichkeit mal über Europa debattieren. Ein bisschen die Diskussion haben wir in Gang gebracht. Das ist nicht viel, aber wenn man die eigene Partei motivieren will, sich in einem Wahlkampf zu engagieren, dann braucht das Diskussion und dann braucht das auch die Überzeugung, dass das, was man aufschreibt, dem entspricht, was man eigentlich will.

 

UG: Was unterscheidet denn das alternative Programm von Dehm und Dir vom Programm, das als erster Leitantrag steht?

 

WG: Wir haben eine andere Sprache gewählt.

 

UG: Nun gut.

 

WG: Naja, das ist ja nicht ganz unabhängig, weil Form und Inhalt haben ja ein bisschen was miteinander zu tun. Ich glaub‘, wir haben zwölf Seiten geschrieben. Das offizielle Programm hat über vierzig Seiten. Das ist auch noch kein Qualitätsunterschied, aber das zeigt schon ein bisschen, dass man unterschiedlich denkt. Der Vorschlag von Diether und mir ist EU-kritischer. Das ist uns wichtig. Er verbreitet weniger Illusionen über die EU. Das ist kein Programm, wo wir sagen, wir wollen aus der EU austreten. Das halte ich für Unsinn. Aber es gibt in Europa linke Parteien, die sagen: Wenn wir die Macht hätten, würde unser Land austreten aus der EU. Dänemark zum Beispiel, das sind auch keine Europa-Feinde. Im Gegenteil, sie sind große Freunde von Europa. Aber sie sind kritisch zur EU. Das gibt’s alles.

Wir sind also EU-kritischer, deutlich EU-kritischer, weniger Illusionen über die EU und wir sagen sehr klar, dass wir eine Neugründung wollen. Neugründung bedeutet, dass die vertraglichen Grundlagen anders gestellt werden müssen, nicht mehr Lissabon- und Maastricht-Vertrag. Das bedeutet, dass man keine Militärverpflichtungen eingeht, keine Aufrüstungsverpflichtung. Eigentlich bin ich ein Freund von einer Europäischen Verfassung, aber eine Verfassung, die demokratisch ist. Ich möchte natürlich, dass die Rechte der Mitgliedsländer gewahrt bleiben, ob groß oder klein. Heute entscheiden die Großen über die Kleinen. Und die Regionen und Kommunen müssen mehr zu sagen haben in diesem Europa. Das wäre eine Neugründung, das bedeutet, man muss verhandeln miteinander.

Die großen Staaten, also auch die deutsche Bundesregierung, wollen eine Vertragsveränderung, um ihre Absichten besser durchsetzen zu können. Diesen Streit - Neugründung, Neustart oder einfach so weiter zu machen -, den muss man austragen. Da sind wir deutlich. Und dann haben wir ein paar sehr schöne Ideen in unserem Programm drin. Die braucht man ja auch zu so einem Laden.

Ich will dieses Freihandelsabkommen mit den USA nicht, das ist was Schlimmes. Da wird Europa zur Festung gemacht. Ich will FRONTEX nicht. Ich möchte, dass Menschen nach Europa kommen können, die in Not sind, die hier leben müssen. Die kommen ja nicht, weil sie Europa so toll finden. Das heißt, ich will in eine ganz andere Richtung. Warum kann man nicht sagen, alle europäischen Länder – die in der EU sind -, packen ihr Geld, das sie für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben wollen, zusammen und geben das an die UNO, damit es verteilt werden kann, ohne dass gleich Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder damit betrieben wird. Es gibt viele neue Ideen, die wir angesprochen haben.

 

UG: Kannst Du es nachvollziehen, dass Leute in Deiner Partei sagen, ein zweiter, alternativer Programmentwurf, das riecht nach Spaltung?

 

WG: Ich kann das nachvollziehen. Es ist falsch, aber ich kann das nachvollziehen. In linken Parteien ist, Gott sei Dank, heute die Sorge vor Spaltungen sehr hoch. Selbst in einer solchen linken Partei wie wir sind, ist der Wunsch, wir mögen doch alles einheitlich und geschlossen machen, sehr groß. Der hat auch seine Berechtigung. Trotzdem sage ich: Wir dürfen uns zusammen nicht dumm machen. Aus einem Disput kann eine Ausstrahlung wachsen, wenn wir über richtige Fragen in einer vernünftigen Art und Weise miteinander streiten. Wir sind ja die Einzigen, die überhaupt Debatten in Gang schieben. Diese langweilige SPD sagt ja nur „mehr Europa, mehr Europa“. Das sagt Merkel auch: „Mehr Europa, Europa“. Und die Grünen stehen dahinter und klatschen Beifall. Was ist denn das für eine Politik? Ich möchte eine lebendige Partei haben, die diskutiert, wo man sich auch gegenseitig die Chance gibt, sich gegenseitig zu überzeugen. Ich behaupte ja nicht, dass alles richtig ist, was ich denke. Da bin ich sehr offen. Ich möchte aber auch, dass andere sich die Chance lassen, darüber nachzudenken, ob nicht einiges richtig ist, was ich in diesen Auseinandersetzungen meine und andere meinen. Die Angst vor der Spaltung ist immer eine richtige Angst der Linken. Wir haben uns zu oft zerlegt über unwichtige Fragen, haben hohe Preise gezahlt. Aber vor Angst darf man sich auch nicht klein machen.

 

UG: Wenn Du jetzt einem Deiner Wähler sagen müsstest, wozu Europa denn eigentlich nütze ist, kannst Du das in einer Kurzfassung erklären? 

 

WG: Es kann ja auch sein, dass wir wirklich mal ein anderes Europa erhalten als diese EU. Ich würde meinen Wählerinnen und Wählern sagen: Ich möchte gern, dass wir uns in Europa darauf einigen, dass annähernd gleiche Lebensbedingungen geschaffen werden. Dann könnte jemand, der nicht mehr in Deutschland arbeiten möchte, ohne Probleme nach Rumänien gehen und der Rumäne ohne Probleme nach Deutschland. Es sind annähernd gleiche Lebensbedingungen und da können alle Unterschiedlichkeiten sich gut ausleben. Ich möchte ihnen sagen, wir haben es nicht nötig, das Geld der Steuerzahler für die Rettung der Banken einzusetzen. Die haben genügend Profite gemacht. Wenn man die ganzen Billionen, die sich auf den Konten der wenigen wirklich Reichen angehäuft haben, nimmt, könnten wir alle Schulden in Europa bestens bezahlen. Wir lebten alle besser. Das kriegt man nicht mehr in den einzelnen europäischen Ländern alleine hin.

Wir müssen auch mehr in Deutschland tun. Ich möchte mehr Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf den Straßen sehen, mich selber auch mehr auf den Straßen bewegen. Ein solcher Austausch wäre ganz toll. Ich würde es auch ganz toll finden, wenn zu einer obligatorischen Schulausbildung gehören würde, ein Jahr Schule macht man in einem anderen Land in Europa. Warum sollen nicht Schülerinnen und Schüler aus Berlin ein Jahr in Polen machen? So etwas zu denken, kreativ zu denken, das wäre Aufgabe einer linken Politik. Und wenn die Verabredung ist, kein Soldat aus einem europäischen Land geht künftig mehr in Auslandseinsätze, wäre das grandios.

Das wäre das, was man heute einlösen sollte.

 

Uli Gellermann, Wolfgang Gehrcke

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