Hoffnung für Mumia Abu-Jamal – schnell handeln!

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Annette Schiffmann vom Bundesweiten Netzwerk gegen die Todesstrafe sprach auf der 24. Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin am 12.1.2019 über wichtige neue Entwicklungen im Fall Mumia Abu-Jamals, die rasche Unterstützung der Solidaritätsbewegung benötigen.

Vor 37 Jahren hat der Alptraum für ihn angefangen. 9. Dezember 1981 um 4:00 Uhr nachts. Polizeikontrolle in Philaldelphia und das bekannte Ende: Der Polizist Faulkner tot, ein Tatverdächtiger geflohen, Mumia schwer verletzt. Viele wütende Polizisten, die ihn sofort als schuldig brandmarken. Den Bewusstlosen brutal zusammenschlagen und erst nach über einer Stunde im Krankenhaus einliefern.

 

Am 9. Dezember 1981 war er 27 Jahre alt, begeisterter Vater von drei kleinen Kindern, auf dem Weg zu lokaler Berühmtheit als Journalist in Philadelphia. Ein Schreibtalent mit Charisma in der Stimme, jemand mit Zukunft in der Branche - trotz seiner radikalen Berichterstattung über die grassierende Polizeikorruption und –brutalität in seiner Heimatstadt Philadelphia, über die extreme Ungleichbehandlung schwarzer Menschen in den USA.

 

Im Juni darauf ein kurzer Prozess von 14 Tagen: Verurteilt zum Tod durch die Giftspritze.

 

Fast 29 Jahre Todestrakt, zwei Hinrichtungstermine. Internationale Kampagnen für den Gefangenen. 2001 Aufhebung des Todesurteils. 2011 endlich Verlegung in den sog. Normalvollzug.

 

Und immer wieder lange nichts und nichts und noch mehr nichts. Vergebliche Klagen, Berufungen, Eingaben. Egal wie sehr er Recht bekommen müsste – es gilt jeweils die Mumia-Ausnahme.

 

Und plötzlich, seit Ende Dezember, überschlagen sich die Ereignisse.

 

Vorgestern Abend erreichten uns aus den USA die E-Mails mit der Sensation: In einem entlegenen Abstellraum der Staatsanwaltschaft von Philadelphia finden die Angestellten auf der Suche nach Ersatzschreibtischen am 28. Dezember 6 Aktenkisten. Die haben dort unter den gestapelten Möbeln nichts verloren. Auf 5 der Kisten steht Mumia Abu-Jamals Name. Auf der 6. steht nichts. In allen sind Akten zu seinem Fall.

 

Und das, nachdem es grade zwei ganze Jahre lang ein Tauziehen um fehlende Aktennotizen in Mumias Fall gegeben hatte.

 

Das, nachdem auch die neue Staatsanwaltschaft unter Larry Krasner versichert hatte, alle Akten an das Gericht geliefert zu haben.

 

Das, nachdem Richter Tucker aus Philadelphia in Mumias Klageverfahren gegen den befangenen Richter/Ex-Staatsanwalt Castille erneut die fehlenden Aktennotizen moniert und mit Urteil vom 27. Dezember erstmals Abu-Jamals Weg zu einem möglichen neuen Prozess freigemacht hatte.

 

Die stellvertretende Oberstaatsanwältin Kavanagh schreibt dem Richter: "Nichts in unserer Datenbank deutet auf die Existenz dieser 6 Kisten hin. Wir sind dabei alles zu sichten." Wir sind sehr gespannt.

 

Schon das Urteil von Richter Tucker war eine Sensation. Zum ersten Mal seit 37 Jahren gibt es eine berechtigte Hoffnung für Mumia, vielleicht doch noch zu seinem Recht zu kommen. "So muss es sich anfühlen, wenn man einen Richter hat, der nicht von der Fraternal Order of Police bezahlt wird", sagt Mumia vorsichtig dazu.

 

Ein neuer Prozess ist möglich. Die Beweise für seine Unschuld irgendwie einzubringen, ist absurd kompliziert, aber möglich. Und wer weiß, was in den Kisten ist...

 

Nun hängt alles vom neuen Leiter der Staatsanwaltschaft von Philadelphia ab: Larry Krasner. Er ist der erste Leiter dieser Behörde, der vorher nie Ankläger, sondern Strafverteidiger war. Ein Linker, der seit einem Jahr im Amt schon so viel umgekrempelt hat, dass viele aus dem juristischen Establishment ihn aus vollem Herzen hassen. Aber hier geht es um Mumia. Um einen Fall, der die ganze Stadt gespalten hat. Um die rachsüchtige rechte rassistische FOP, die noch immer seinen Tod fordert. Um die verbitterte Witwe des Polizisten, die immer wieder Himmel und Hölle und alle Medien in Bewegung setzt, um jede kleinste Verbesserung für den verabscheuten Gefangenen mit Wut und ihren unermüdlichen Rachewünschen zu kommentieren.

 

In dieser aufgeheizten Stimmung muss Larry Krasner sich verhalten. Wird er das schaffen?

 

Das einzige, was er hier jetzt tun muss ist: NICHTS. Er muss einfach auf sein Recht verzichten, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Vorgestern haben Aktivistinnen in Philadelphia ihm bereits 4200 Unterschriften übergeben. Wir sammeln online weiter. Mehr dazu gleich.

 

Als wir in Heidelberg unsere erste große Veranstaltung über Mumia Abu-Jamal gemacht haben, war Mumia 44 Jahre alt. Ich auch. Das war vor 20 Jahren. Seither bin ich in die USA, nach Schweden, Italien und Jamaica geflogen, in ganz Deutschland herumgereist, viermal umgezogen, habe einen neuen Beruf erlernt, zahllose Menschen bei zahllosen Aktivitäten getroffen, Zeit mit Partnern, Freundinnen, meiner Familie verbracht. Mich übers Wetter aufgeregt und über die Deutsche Bahn, tausend schöne und ein paar unangenehme Dinge erlebt. 240 Monate voller Leben.

 

Unfassbar, dass er diese ganze Zeit immer nur Beton, Sicherheitsglas und eine hässliche Zelle gesehen hat. 7.200 Tage und Nächte fast immer allein war. 7.200 Tage und Nächte Einsamkeit im Grauen. Demnächst werden wir beide 65. Ich werde mit Freunden feiern. Er nicht.

 

Aber zum ersten Mal gibt es eine reelle Chance für ihn. Es wird wie immer schwierig, langwierig und ätzend werden. Aber es ist möglich.

 

Ich bitte euch um 3 Dinge:

  1. Unterschreibt den Aufruf an Larry Krasner, auf die Berufung, die er bis zum 27. Januar gegen Tuckers Urteil aussprechen kann, in diesem Fall zu verzichten. Das ist mal jemand, der sich von so was vielleicht tatsächlich beeindrucken lässt. https://actionnetwork.org/petitions/krasner-do-right-by-mumia?link_id=0&can_id=4ebabc9c14e4360f8ca076dd2c49c071&source=email-urgent-take-action-now-for-mumia&email_referrer=email_472716&email_subject=urgent-take-action-now-for-mumia
  2. Spendet für die Verteidigung und die Freunde, die ihn besuchen – sie brauchen das jetzt nötiger denn je. Jede Fahrt ins abgelegene Gefängnis kostet Sprit – einen Bus gibt es natürlich nicht - und oft noch eine Übernachtung. Und die ständig teurer werdenden Gebühren für die schlechten Snacks aus den Automaten. Mumia Abu-Jamal e.V., Sparkasse Heidelberg, IBAN DE34 6725 0020 0009 0817 98
  3. Schickt eine Postkarte an Mumia! Das ist wichtig. Seit vielen Monaten setzen die Gefängnisbehörden in Pennsylvania alles daran, das Leben der Gefangenen noch schwerer zu machen als es ohnehin schon ist. Bücherverbot, Zeitschriftenverbot, Büchereiverbot. Und kürzlich haben sie den Aberwitz verordnet, die Postadressen der Knäste zu einer privaten Firma in Florida zu verlegen, die dann alles prüft und den Gefangenen nur noch Kopien schickt. Alles, was an den Knast direkt gerichtet ist, kommt in Zukunft zum Empfänger zurück.

 

Smart Communications/PA DOC
Mumia Abu-Jamal #AM8335
SCI Mahanoy
Post Office Box 33028
St Petersburg, Florida 33733
USA

 

Zeigt ihnen, dass wir uns davon nicht abschrecken lassen.

 

Lasst uns ein Teil der Bemühungen bleiben, diesen Mann nach all den Jahren irgendwann in Freiheit begrüßen zu können.

Hoffnung für Mumia Abu-Jamal – schnell handeln!