Nachhaltigkeit und Klimaschutz - nur ohne Bundeswehr!

Nachhaltigkeit und Klimaschutz - nur ohne Bundeswehr!
Flickr Tobias Nordhausen Bundeswehrpanzer (CC BY-NC-SA 2.0)
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Im Bundeshaushalt beträgt derzeit der Anteil des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg) mit dem Einzelplan 14 allein 12% des Gesamthaushaltes. Während aber in den anderen Ministerien und Einzelplänen Ausgaben im wesentlichen als Transferleistungen erfolgen, wird vom BMVg mit der Bundeswehr die größte staatliche Einzel-Institution verwaltet bzw. mit dem im Einzelplan 14 ausgewiesenen 45 Mrd. Euro finanziert. Hinzu kommen weitere militärische Ausgaben nach NATO-Kriterien, mit denen die Rüstungsausgaben auf 50 Mrd. Euro steigen. Doch wie wird die Existenzberechtigung dieser Institution begründet, die in früheren Zeiten mit Slogans wie "Wir produzieren Sicherheit" oder "Der Frieden ist unser Auftrag" antrat und heute mit dem nichtssagenden "Wir.dienen.Deutschland" auf Werbetour geht? Wie die aktuellen Aufgaben dieser Institution beschrieben sind, ergibt sich aus dem Bundeswehr-Weißbuch 2016 und ergänzend dazu aus der 2018 vom BMVg erstellten Richtlinie "Konzeption der Bundeswehr". Letztere behandelt die vorgesehenen bzw. als notwendig erachteten Fähigkeiten der Bundeswehr. Das Stichwort Nachhaltigkeit taucht in beiden Dokumenten praktisch nicht auf, d.h. nur eher zufällig im Kontext Beschaffung und Personalentwicklung. Umso verwunderlicher ist es deshalb, dass seit 2012 im Zwei-Jahres-Turnus vom BMVg sogenannte Nachhaltigkeitsberichte herausgegeben werden, bei denen in der letzten Ausgabe 2018 sehr intensiv auf die Agenda 2030 bzw. die UN-Nachhaltigkeitsziele Bezug genommen wird.

Klimakrise als Chance für die Bundeswehr?

Der Klimawandel wurde bisher nur im Bundeswehr-Weißbach 2016 kurz thematisiert. Auf Seite 42 heißt es dort mit Hinblick auf deutsches „Engagement zur Krisenprävention und Stabilisierung“:

„In Verbindung mit Ressourcenknappheit und demographischem Wachstum wirken klimatische Veränderungen insbesondere in Regionen fragiler Staatlichkeit zusätzlich destabilisierend und konfliktverstärkend.
Mangelnde staatliche Kompensationsfähigkeit kann dabei eine Abwärtsspirale beschleunigen. Staatsversagen, gewaltsame Auseinandersetzungen und Migrationsbewegungen – zumeist entlang bereits bestehender gesellschaftlicher Konfliktlinien – wären die Folge.“ 1

Mit anderen Worten: Der Klimawandel wird als Chance für weitere Bundeswehreinsätze weltweit gesehen.  Anlässlich einer Tagung des BMVg am 18. Juni 2019 zum Thema „Zukunftsszenarien Klimawandel“ äußerte sich Prof. Dr. Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München dazu wie folgt

„Wenn die globale Erwärmung um zwei Grad steigt, dann werden unter Umständen auch Einsätze im Rahmen multilateraler Koalitionen oder Bündnisse erfolgen, die dazu dienen Flüchtlingsströme zu managen oder aber Hilfsaktionen in Gegenden durchzuführen, die überschwemmt sind. Also, es wird möglicherweise ein zusätzliches, neues Aufgabenspektrum auf Deutschland und die NATO zukommen.“ 2

Interessant ist, dass die Herausforderungen durch den Klimawandel in  Nachhaltigkeitsberichten der Verteidigungsministerien anderer NATO-Staaten wie Kanada, Großbritannien und Dänemark thematisiert werden, nicht jedoch in denen des BMVg.

Was heißt Nachhaltigkeit?

In dem 1987 vorgelegten Bericht der sogenannten Brundtland Kommission, auch Weltkommission für Umwelt und Entwicklung genannt, wurde der Nachhaltigkeitsbegriff als zentrales Element aufgenommen und wie folgt definiert:

Nachhaltig ist eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“

„Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.

Zwei Schlüsselbegriffe sind wichtig:
der Begriff Bedürfnisse, insbesondere die Grundbedürfnisse der Ärmsten der Welt sollen Priorität haben; der Gedanke von Beschränkungen, die der Stand der Technologie und der sozialen Organisation auf die Fähigkeit der Umwelt ausübt, gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse zu befriedigen." 3

Auf dieser Basis wurde auf dem Weltgipfel 1992 beschlossen, nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln, was als Aktionsprogramm unter dem Begriff Agenda 21 auf den Weg gebracht wurde. Als Nachfolge gelten die 17 Sustainable Development Goals (SDG) von 2016 bis 2030 bzw. die Agenda 2030. Auf dieser Basis gibt es auch nationale Aktionsprogramme, wie die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie in der aktuellen Fassung von 2016.

Exemplarisch dazu eine Kritik des Umweltverbandes BUND:

„Entlang dieser 17 Ziele hat die Bundesregierung die neue Strategie auch gegliedert. Sie benennt Prioritäten, Indikatoren und geplante Maßnahmen – Ziele bis 2030 fehlen jedoch weitestgehend. Der Ansatz der neuen Strategie geht zwar in die richtige Richtung, wird aber dem umfassenden Anspruch der SDG nicht gerecht, Hunger und Armut zu beenden, Zugang zu bezahlbarer, moderner und nachhaltiger Energie für alle Menschen auf der Welt zu schaffen, nachhaltigen Konsum sicherzustellen – und vieles mehr.“ 4

Nachhaltigkeitsberichte – was steht drin und warum?

Diese Form des Berichtswesens hat sich in den beiden letzten Jahrzehnten zunächst bei Großunternehmen etabliert und kann als Speerspitze von „Greenwashing“ bezeichnet werden. Wer davon ein praktisches Verständnis haben möchte, dem sei die Lektüre entsprechender Berichte der deutschen Automobilkonzerne empfohlen.

Mittlerweile werden auch von mittelständigen Unternehmen und behördlichen Institutionen (wie dem BMVg) solche Berichte herausgegeben. Während jedoch Großkonzerne in solchen Berichten ihrem gar nicht umweltverträgliches Kerngeschäft einen naturgrünen Anstrich verpassen, findet man bei den entsprechenden Berichten des BMVg praktisch überhaupt nichts über das „Kerngeschäft“ der Bundeswehr. Im ersten Bericht dieser Art – der aber bei offizieller Zählweise des BMVg nicht berücksichtigt wird – heißt es noch in der Einleitung:

„Auch wenn die Nachhaltige Entwicklung nicht zum Kerngeschäft des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) gehört, findet sie im Verteidigungsressort ihren besonderen Niederschlag in Begriffen wie ‚nachhaltige Konfliktlösungen‘, ‚vorausschauende und nachhaltige, letztlich erfolgreiche Sicherheitspolitik‘; ‚nachhaltige Friedenslösungen‘, ‚nachhaltige Konsolidierung von Frieden und Stabilität‘, ‚nachhaltige Friedenssicherung‘“. 5

In der aktuellen Ausgabe 2018 heißt es hingegen im Vorwort von Ursula von der Leyen:

„Mit dem nun vorliegenden dritten Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr zeigt sich, dass der Nachhaltigkeit auch im internen Verwaltungshandeln des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr dauerhaft eine bedeutende Rolle zukommt. Die ergriffenen Maßnahmen tragen zur Umsetzung einer Vielzahl der in der Agenda 2030 formulierten Ziele zur nachhaltigen Entwicklung bei.“ 6

BMVg: Nebelkerzen statt Nachhaltigkeit

In den bisherigen Berichten wird in erster Linie auf Maßnahmen der Behörde verwiesen, die in den standortbezogenen Bereichen Immobilien, Logistik und Infrastruktur angesiedelt sind und damit für die mittlerweile als Kernaufgabe definierten Auslandseinsätze der Bundeswehr nur nachrangige Bedeutung haben. Doch selbst bei den behandelten Einzelthemen fällt die Bilanz insgesamt sehr dürftig aus.  So werden zum Bau und energieeffizienten Betrieb von Gebäuden Einzelprojekte und Absichtsbekundungen  detailliert dargestellt. Bei einem Gesamtbestand von insgesamt 34.000 Gebäuden in ca. 1.500 Liegenschaften wären aber nur Masterpläne mit belastbaren Zielvorgaben für die energetische Sanierung und Optimierung dieses Bestandes aussagekräftig. Lediglich bei der behördenintern verordneten Verwendung von Recyclingpapier wird eine Zielmarke von 95% genannt, die auch erreicht werden könne.

Viel Platz widmen die Nachhaltigkeitsberichte dem Naturschutz auf Truppenübungsplätzen. Diese müssen für Schießübungen von Soldaten und Panzerbesatzungen großflächig als offenes Gelände frei von größerem Baumbewuchs gehalten werden. Damit entstehen Flächen, die eine spezielle Biodiversität ermöglichen, wie sie in Deutschland nur auf wenig anderen Flächen möglich ist. Allerdings hat vor einem Jahr der durch Schießübungen ausgelöste Moorbrand bei Meppen mit  den verheerenden Folgen – auch wegen der damit verbundenen gigantischen CO2-Emissionen – aufgezeigt, wie fragwürdig ein von der Bundeswehr ausgewiesener Naturschutz ist.

Auch beim Umweltschutz im weiteren Sinne kann der naturgrüne Anstrich nicht verdecken, dass der Militär­betrieb gewaltige Folgekosten durch Schadstoffe verursacht, die im Boden und letztlich auch im Grundwasser zurück bleiben. Dieses gilt vor allem für PFC-Chemikalien, die in Deutschland auf mehr als 20 Militärstandorten nachgewiesen und auf über 100 weiteren Standorten mutmaßlich vorhanden sind. Solche Probleme werden von dem Bundesamt für Infrastruktur, Umwelt und Dienstleistungen (IUD), das für die Nachhaltigkeitsberichte verantwortlich zeichnet, natürlich ausgeblendet.

Rüstungskontrolle? - Korruptionsbekämpfung?

Geradezu grotesk mutet der Umgang mit dem Thema Rüstungskontrolle an. Hier wird auf einen Passus der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 Bezug genommen, mit dem man weltweit Projekte zur Sicherung, Registrierung und Zerstörung von Kleinwaffen und leichten Waffen unterstützen will. Hierzu werden Bundeswehrexperten eingesetzt, was quasi der einzige Verweis auf Auslandseinsätze ist. Die eigentlichen Auslandseinsätze der Bundeswehr werden hingegen komplett unterschlagen. Sicherlich aus guten Gründen, denn in den Ländern mit der längsten Präsenz ausländischer Streitkräfte inklusive Bundeswehrbeteiligung gibt es alles andere als eine nachhaltige Entwicklung nach den Kriterien der Agenda 2030. Afghanistan ist nach 18 Jahren immer noch eines der ärmsten Länder weltweit. Der Kosovo wurde nach 1999 nicht nur zum Armenhaus Europas, sondern ist heute von hochgradig korrupten und mafiösen Behördenstrukturen gekennzeichnet. Dafür erfährt man aber im BMVg-Nachhaltigkeitsbericht 2018 einiges über behördeninterne Vorkehrungen zur Korruptionsbekämpfung.

Fazit: Nachhaltigkeits­strategie einfordern

Vor kurzem wurde über eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) berichtet, die in einer Forderung nach einem 450 Mrd. Euro schweren staatlichen Investitionsfond für die kommenden 10 Jahre mündet. Das heißt: Der deutsche Staat soll ab 2020 jährlich 45 Mrd. Euro mehr ausgeben als bislang eingeplant. Verwiesen wird dabei auf mangelnde und fehlende Infrastruktur und „neue Bedarfe“ für Klimaschutz und digitale Infrastruktur. 

Dieser jährliche Betrag von 45 Mrd. Euro entspricht (zufällig?) dem Einzelplan 14 für das BMVg im Bundeshaushalt 2020 als zweitgrößten Etat. Während aber der größte Etat im Bundeshaushalt für Arbeit und Soziales in Transferleistungen besteht, wird mit dem Etat des BMVg eine  Institution mit ca. 250.000 zivilen und militärischen Mitarbeitern finanziert, die damit die Größenordnung eines industriellen Großkonzerns hat. Stellt man nun die berechtigte Frage, was diese Institution eigentlich leistet, so lautet die Antwort: Jedenfalls offenbar nichts, was in den Nachhaltigkeitsberichten des BMVg darstellbar wäre.

Das BMVg versucht, die Bundeswehr als größte staatliche Institution und als solche auch größten staatlicher Einzelemittent von Treibhausgasen mit Nebelkerzen bzw. Belanglosigkeiten zum Thema Nachhaltigkeit zu verstecken. Eine Delegitimierung der Bundeswehr sollte deshalb hier ansetzen und folgende Fragen in den politischen Diskurs bringen:

1. Wofür werden vom BMVg (im Haushaltsjahr 2020) 45 Mrd. Euro budgetiert bzw. 50 Mrd. Euro nach NATO-Kriterien im Haushalt eingestellt?

2. Wofür könnte man diesen Betrag im Sinne einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie am besten einsetzen?

3. Inwieweit ist der aufgeblähte Rüstungshaushalt auch bezüglich der notwendigen Ressourcen für die weltweite Agenda 2030 und den Klimaschutz ein wesentlicher Teil des Problems?

Eine besondere Rolle spielen hierbei die UN-Nachhaltigkeitsziele. Ob mit oder ohne Nachhaltigkeitsstrategie: Deren Gebrauch bzw. Missbrauch erfordert umfassende zivilgesellschaftliche Aufklärung, um diese aus dem Schattendasein im politischen Diskurs heraus zu bringen.

Auch nach Vorlage von mittlerweile vier, bzw. offiziell drei Nachhaltigkeitsberichten des BMVg gibt es dort keine diesen Berichten zugrunde liegende Nachhaltigkeitsstrategie. Dieses wird auch nicht durch den aktuellen Rückgriff auf die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016 kompensiert.

Die inhaltliche Rückständigkeit der BMVg-Nachhaltigkeitsberichte ist aber leider nur ein Abbild dessen, was seitens der bisherigen Bundesregierungen gegen den Klimawandel unternommen wurde, siehe das kürzlich verabschiedete, nur propagandistisch wirksame „Klimapaket“. Es gibt deshalb viele Gründe, von der Bundesregierung hierzu eine überfällige Positionierung einzufordern.

Von dem Verfasser erscheint im November 2019 eine umfangreiche IMI-Studie zu den Nachhaltigkeitsberichten des BMVg. (Infos unter www.imi-online.de)

 

Quelle Foto: Flickr Tobias Nordhausen Bundeswehrpanzer (CC BY-NC-SA 2.0) (Das Originalfoto wurde verändert)

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