Rede zur Gedenkveranstaltung zum 78. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz

Personen: 

Liebe Anwesende, liebe Zeitzeugen,

ich freue mich, den heutigen Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz in Russland zu verbringen, wo der Verdienst der Roten Armee angemessen gewürdigt wird.
In der Bundesrepublik Deutschland, die meiner Heimat DDR annektiert hat, wird längst so getan, als wäre es nicht die Sowjetunion gewesen, die die Welt vom Hitlerfaschismus befreit hat; im Gegenteil, es wird so getan, als wäre die Sowjetunion mit Schuld am Krieg gewesen.
Ich erlebe diesen Tag auch mit Trauer, denn er erinnert mich an meinen verstorbenen Freund, Alexander Danilowitsch Bytschok, der als 16-jähriger Häftling in Buchenwald gewesen war und an der Selbstbefreiung der Gefangenen mitgewirkt hat.
Wir begegneten uns auf der Feier zum Tag des Sieges 2015 beim Ehrenmal in Treptow, und haben danach jeden Jahrestag gemeinsam begangen.
Ich organisierte Veranstaltungen mit ihm, auf denen er vor Schülern sprechen konnte, Besuche an anderen Gedenkstätten, Filmaufnahmen, auf denen er seine Lebensgeschichte erzählte.
Unser Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe hat ihn all die Jahre über unterstützt. Er starb vor bald zwei Jahren.

Und ich muss daran denken, was Alexander sagen würde, sähe er heute, wie sehr sich Deutschland verändert hat. Vor den Schulen, in denen er aufgetreten ist, hängen ukrainische Fahnen.
Wie würde er es finden, er, der im besetzten Kiew von der Straße in die Zwangsarbeit verschleppt wurde, wenn er im Fernsehen sehen müsste, wie die Anhänger Banderas, mit Wolfsangeln und schwarzen Sonnen dekoriert, im deutschen Fernsehen zu Helden erklärt werden?
Nachdem er schon in seiner Heimatstadt Kiew mehrfach von genau diesen Leuten angegriffen wurde?
Der Tag der Befreiung von Auschwitz war der Tag, an dem in der Welt die letzte Facette des Grauens enthüllt wurde, das den Nazismus über die Welt gebracht hatte, und wenige Monate später wurde im Schwur von Buchenwald zusammengefasst, was seither Auftrag für alle sein sollte: 

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. 

"Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Liebe Ehrengäste, es ist beschämend, dass dieser Schwur bis heute noch nicht umgesetzt ist. 

Im Gegenteil. Die Wurzeln des Nazismus haben überlebt, und sie treiben neu aus, erst in der Ukraine, aber inzwischen auch in Westeuropa.
Welche Rolle ukrainische Wächter gerade in Auschwitz spielten, wird nicht mehr erwähnt, seit die Bandera-Anhänger die engsten Freunde der deutschen Regierung sind.
Am 9. Mai des vergangenen Jahres war in Berlin die Siegesfahne verboten, und Anhänger der Kiewer Regierung durften auf dem Gelände des sowjetischen Ehrenmals gegen die Feiern demonstrieren.
Kann man sich mit Faschisten verbünden, ohne selbst einer zu sein?
Oder zu werden?
Unser Verein, der seit 2015 humanitäre Hilfe für den Donbass geleistet hat, wird von den deutschen Behörden inzwischen ständig schikaniert.
Konten werden gekündigt oder gesperrt, die Steuerfreiheit wird aberkannt, weil es als politische Tätigkeit gewertet wird, zu erzählen, was im Donbass wirklich passiert, und Fahnen, Abzeichen, Reden, selbst Beiträge in sozialen Netzwerken, die auf den Charakter dieser Kiewer Regierung hinweisen, führen zu Strafanzeigen, Bußgeldern, und sogar zu Haftstrafen.
Gerade in Deutschland hätte man es erkennen müssen, die Fackelmärsche, die mörderischen Parolen. Stattdessen wird inzwischen im deutschen Fernsehen erklärt, Russen seien keine Europäer, und die deutsche Außenministerin sagt, „wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“.

Aber wenn mich Alexander eines gelehrt hat, dann, die Hoffnung nie aufzugeben.
Und wenn wir heute feststellen müssen, dass die Befreiung vom Nazismus, für die der heutige Tag ebenso steht wie der 9. Mai, noch nicht vollständig war, dass die verbliebenen Wurzeln erneut austreiben konnten, dann heißt das eben nur, dass auch unsere Generation ihren Teil tun muss, den Schwur von Buchenwald zu verwirklichen.
Bis zur Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln.
Seit einigen Monaten bin ich nicht mehr in Deutschland, sondern hier in Russland, und bemühe mich, von hier aus die humanitäre und antifaschistische Arbeit fortzusetzen.
Das ist aus einer unsicheren Lage heraus nicht einfach, aber das erste Ziel ist klar: die verbliebenen antifaschistischen Kräfte in Westeuropa müssen sich miteinander verbinden.
Dafür arbeite ich mit anderen an der Gründung eines antifaschistischen Informationsbüros.
Aber noch eines ist klar, und das möchte ich an diesem Tag besonders hervorheben: die Finsternis kann nicht siegen.
Wenn es eine erneute Befreiung braucht, wird es eine erneute Befreiung geben, für alle, die unter dieser Wiederkehr, diesem wiederbelebten Nazismus leiden.
Das ist unsere Verpflichtung Ihnen gegenüber, und unsere Zuversicht.