"Silence is violence!" - die 51. Free-Gaza-Demo in Bremen

Rede 14.09 2024, Palästina-Kundgebung, Johannes Waehneldt

Der Feind des Guten ist nicht das Böse, sondern Dummheit – das ist ein Zitat von Dietrich
Bonhoeffer. Dummheit steht auch für Gleichgültigkeit und Schweigen. Das ist heute mein
Thema. Bevor ich mich mit der Verfasstheit unserer deutschen Bevölkerung beschäftige,
beginne ich quasi auf der Mikroebene mit meinen Erfahrungen mit Freunden, Kollegen,
Bekannten.
Da gibt es Verdrängung und kompletten Realitätsverlust:
Nach dem 7. Oktober sagte mir jemand: „Aber wir haben doch alle die schrecklichen Bilder
gesehen! Die Hamas hat doch alles gefilmt und ins Netz gestellt“. Meine Frage: Was hast du
da gesehen? Massenvergewaltigungen? Geköpfte Babies? Babies in Backöfen? Antwort:
„Nein, solche Bilder kann ich mir nicht ankucken! Das halte ich nicht aus“. So kann
Propaganda natürlich auch funktionieren!
Dann gibt es die Menschen, die leider resignieren:
Zitat eines Kollegen, den ich sehr schätze: „Ach weißt du, ich habe eigentlich immer die
falsche Meinung, ob das Corona ist, oder Putin und die Ukraine, ich bin die ganzen
Diskussionen leid; damit erreicht man doch ohnehin nichts!“
Unaufrichtiger ist das Verhalten, das ich „Canceln“ nenne:
Eine befreundete Kollegin sagte sinngemäß, „Es ist alles so schrecklich, was Israel macht, und
durch den Hass wird ja eine neue Generation von Terroristen herangezüchtet“. Und dann
schickt sie mir allen Ernstes einen Link der ARD, in dem Biden Netanjahu auffordert, in Gaza
nicht „ganz so doll“ zu morden.
Meine Antwort: Ein Beitrag des englischen Journalisten Owen Jones über Gaza, der die aktive
deutsche und amerikanische Beteiligung inklusive Waffenlieferungen präzise auf den Punkt
bringt: Sie darauf: „Wer ist denn dieser Typ? Ich bin bei weitem nicht mit allem
einverstanden!

Mit der Frage „Warum?“ schickte ich ihr daraufhin die Geschichte eines Palästinensers, der
85 Familienangehörige verloren hat, mit dem Kommentar an sie, „vielleicht könne sie ja mit
dem übereinstimmen, was jemand dort direkt erlebt hat“

Ihre Antwort: „Ich habe für Diskussionen gerade keine Zeit“. Das wars!
Bis heute habe ich keinerlei Response auf irgendeinen dieser Punkte erhalten, obwohl wir
uns beruflich immer wieder begegnen. Ein Beispiel für Cancel Culture im klassischen Sinne,
die Kombination aus Ignoranz und Dummheit. Einen kurzen Moment habe ich mich dadurch
verletzt gefühlt. Völliger Unsinn, denn wie respektlos ist diese Haltung gegenüber den
Menschen in Gaza und der Westbank und überall?
Eine andere Sache, die mir immer wieder begegnet, ist Feigheit:

Ich hatte mich mit einem guten Freund zufällig so verabredet, dass er die Eingangsrede auf
einer unserer Demos unfreiwillig mit mir anhören musste, Ich habe dann erstaunt gesehen,
wie er jeder Kamera auswich und am liebsten im Boden versinken wollte. Es war ihm peinlich!
Was kann peinlich daran sein, gegen Unrecht aufzustehen? Es kam noch schlimmer, denn er sagte:
„Sag mal, die führen hier doch auch nur Selbstgespräche, oder“? Ich habe ihm wütend folgendes geantwortet:
Die Kritik, die du hier äußerst, betrifft nicht die Leute, die heute hier stehen, sondern fällt genau auf die zurück,
die hier heute nicht stehen! Und dazu gehörst du! Es gab auch Diskussionen auf Augenhöhe. Ich hatte
einen guten Freund, einen Historiker aus Berlin, der leider dieses Jahr gestorben ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Ulrich_(Historiker) Unsere Meinungen in Sachen Israel, Zionismus, Anti-Semitismus und Palästina waren sehr unterschiedlich. Ich hätte mich so gerne weiter mit ihm gestritten.
Durch ihn bin ich aber auf Deborah Feldmann aufmerksam geworden. Deborah Feldmann, aufgewachsen in
Williamsburg/New York in einer streng orthodoxjüdischen Umgebung ist aus dieser gewissermaßen nach Berlin
geflohen – ihr Buch „Unorthodox“ hat mir die Augen geöffnet, denn ich wusste zu der Zeit nicht, dass es Juden
gibt, die der zionistischen Idee, eine Heimstatt im gelobten Land Israel zu finden, entschieden widersprochen haben.
Sie sind der Auffassung, dass der dritte Tempel und damit Zeit und Ort der Wiederkehr des Messias nicht durch
Menschen bestimmt, sondern höheren Mächten vorbehalten ist. Deborah Feldmann hat in einer Lanz-Talkshow
kurz nach dem 7. Oktober gesagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur eine einzige legitime Lehre des
Holocaust gibt und das ist die absolute und bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle. Wer den
Holocaust instrumentalisieren will, um weitere Gewalt zu rechtfertigen, hat seine eigene Menschlichkeit verwirkt!“
Diese mutige Antwort hat einigen in der Runde den Atem verschlagen! Es gab eine weitere Talkshow mit ihr - Thema
war die potentielle Bedrohung von Juden in Deutschland. Als sie darüber sprach, dass in Deutschland ausgerechnet j
jüdisch orthodoxe Personen auf pro-palästinensischen Demos mit brutaler Polizeigewalt abgeführt wurden, sprengte sie
gewissermaßen das Motto der Sendung. Sie wurde gecancelt. Helle Aufregung,
sie konnte keinen einzigen Satz ohne Unterbrechung herausbringen, fadenscheinige Relativierungen würgten
jeden Diskurs ab. Eine Respektlosigkeit gegenüber dieser aufrichtigen kompromisslosen Frau! Noch unwirklicher
fand ich kürzlich die Phoenix-Runde, an der unser DPG-Vorsitzenden Nazih Musharbash teilgenommen hatte.
Von Anfang an war die – jetzt werde ich unsachlich - lässig selbstgefällige Haltung eines Rafael Seligmann schwer
erträglich. Es wurden alle erdenklichen MSM-Klischees über Gaza bemüht, von „Experten“, die diese Bezeichnung
wirklich nicht verdienen. Nazih hat sich nicht beirren lassen und brennend aktuelle Dinge sachlich angesprochen
und ist Provokationen ausgewichen. Das Ganze war so „far off“, so als wenn jemand einer Gruppe Aliens
aus einer fernen Galaxie, z.B. die Borkenkäferplage zu erklären versuchen würde – nur das diesen Aliens die
Vernichtung ihres Gegenübers, seines Volkes inklusive aller Borkenkäfer vollkommen gleichgültig ist.

Wundert es irgend jemanden, dass in diesem sich ständig verengenden Meinungskorridor die
mentale Verfasstheit unserer Landsleute Formen annimmt, die noch vor 2-3 Jahrzehnten
unvorstellbar gewesen wären?
Ich verstehe nicht, warum Klimakleber und Fridays for Future hier und heute nicht auf
unserer Seite stehen. Abgesehen von der völligen Verzerrung menschlicher Prioritäten ist
jede Bombe, jeder Kampfjet, jeder Panzer, jeder Schuss Munition ein dramatischer Faktor in
der CO2-Bilanz.
Ich verstehe nicht, wie die durch fragwürdige Finanzierungen gestützte Organisation
Correctiv einen gefakten Hoax namens „Geheimkonferenz Wannsee 2.0“ lancieren konnte,
der in Deutschland Millionen von Menschen auf die Straße gebracht hatte.

Millionen, die gemeinsam mit der amtierenden Regierung auf der Straße stehen, einer
Regierung, die Waffen für einen Völkermord liefert. Millionen, die stattdessen hier stehen
müssten! Aber nein! Teile davon demonstrieren sogar gegen uns! Weil wir islamistisch,
antisemitisch, Terror-Sympathisanten und damit „rechts“ seien. Bei der Definition von
„Rechts“ hat anscheinend bei sehr vielen die Navigation versagt!
Eine Klarstellung: Ich habe mit der AFD nichts, aber auch gar nichts am Hut. Eine
Buchvorstellung eines österreichischen rechtsradikalen Identitären geht mir an dem selben
vorbei. Alles, was die AFD auch in Sachen Friedensinitiativen vorgibt, widerlegt sie in ihrem
eigenen Parteiprogramm. In Sachen Islamfeindlichkeit und Migrationshetze treibt sie unsere
derzeitige Regierung derart vor sich her, dass man sich manchmal fragt, wer hier den
größeren Eifer an den Tag legt.
Zurück zu denen, die gegen „Rechts“ auf die Straße gehen: Meine Fragen an sie sind:
Wo wart ihr, als in Dessau-Rossau Oury Jalloh von Polizisten in einer Zelle angezündet und
verbrannt wurde? Auf dieser Polizeiwache sind 3 Menschen getötet worden: Ein Schwarzer,
ein Obdachloser und ein Jude! Die kriminelle sächsische Regierung hat alle
Ermittlungsbemühungen seit fast 20 Jahren systematisch hintertrieben.

Wo wart ihr bei den angeblichen „Dönermorden“ des NSU, bei der 9 Migranten und eine
Polizistin von einer fanatischen Faschistenbande ermordet wurden - mit systematischer
Unterstützung des Verfassungsschutzes!
Wo sind die „Omas Gegen Rechts“, wenn faschistische Assow-Batallione aus der Ukraine
durch Deutschland marodieren, um für einen mörderischen Stellvertreterkrieg Stimmung zu
machen? Anhänger des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera, der das Leben von 50.000
Juden und 100.000 Polen auf dem Gewissen hat.

Und wo seid ihr jetzt, wenn Zehntausende oder vielleicht auch Hundertaussende in Gaza und
der Westbank verletzt, verstümmelt, verschüttet, und ermordet werden? Wo seid ihr, wenn
jede Hoffnung auf einen Waffenstillstand durch Mord an den Unterhändlern und durch
wahnwitzige Forderungen systematisch zerstört wird? Wo seid ihr, wenn Seuchen und
Hungersnot immer mehr Opfer fordern. Wo seid ihr, wenn palästinensische Geiseln in
Konzentrationslagern zu Tode gefoltert werden. Wo seid ihr, wenn die Westbank droht, ein
zweites Gaza zu werden?
Habt Ihr kein Herz? Habt ihr keinen Verstand? Fehlt euch beides?
Die Situation in unserem Land ist beschämend. Aber weltweit haben die Menschen
begriffen, um was es geht: Keine Freiheit ohne die Freiheit Palästinas! Es ist eine
Zerreißprobe für die menschliche Zivilisation!

Die eindrucksvolle Rede der südafrikanischen Aktivistin Lucille Cornelis endet mit einer
Parole, die mit der auch wir diese Rede gemeinsam abschließen!

Auf deutsch heißt es: „Schweigen ist Gewalt!“
Lasst es uns alle auf englisch sagen: „Silence is Violence!“
Ceasefire now!
Free Palestine