Mordkrimi im saudischen Konsulat – der Fall Kaschoggi*

Der verschwundene Jamal Kaschoggi
Quelle | Mohammed bin Salman | CC BY 2.0
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Weil er um sein Leben fürchtete, lebte der saudische Journalist Jamal Kaschoggi seit einem Jahr in den USA. Am 2. Oktober hatte er einen Termin im saudischen Konsulat in Istanbul, weil er Papiere zum Heiraten benötigte. Seine in der Nähe wartende Verlobte konnte ihn nicht wieder in Empfang nehmen. Obwohl am Mord im Konsulat kein Zweifel bestand – was die Türkei, deren Verhältnis zu Riad gespannt ist, schnell publik machte – verschanzten sich USA und EU fast zwei Wochen hinter der Forderung nach Beweisen. Bis da nichts vorläge, so Außenminister Maas, dächte die Bundesregierung nicht an Sanktionen oder gar die Beendigung von Waffengeschäften. Schließlich ist Riad der wichtigste Verbündete des Westen für die Neuordnung des Nahen Ostens.

Im Fall Skripal war man weniger penibel mit der nur auf angeblichen Indizien beruhenden Schuldzuweisung und Sanktionen. Während die Beseitigung eines Spions, der seit über zehn Jahren kein Geheimnisträger mehr war, kein Motiv abgibt, liegt der Fall Kaschoggi anders. Er arbeitete seit langem für saudischen Medien, die im Ausland das Bild eines sich modernisierenden Landes zeichneten, das sich für Fortschritte in der islamischen Welt einsetzt. Dabei geriet er in Widerspruch zu dem, was Riad real verfolgt. Seine Kolumne in der Washington Post griff bereits im Titel regelmäßig den Kronprinzen an. Er deckte Korruption astronomischen Ausmaßes auf und forderte einen die Huthis respektierenden Kompromiss im Jemen. Am 31. Oktober 2017 berichtete er, dass "dutzende moderate Intellektuelle, Kleriker, Journalisten und Social-Media-Aktivisten" verhaftet worden seien, während Erzkonservative im Staatsfernsehen verkündeten, "dass Schiiten keine Moslems" seien und der Islam keine Verpflichtung kenne, sich mit Nichtmuslimen zu verständigen. Das zeige kein politische Mäßigung an. Kurz vor seinem Verschwinden erklärte er in der BBC, dass der israelischen Siedlungspolitik nur durch Druck der internationalen Gemeinschaft Grenzen gesetzt werden können.

 

Die Forderung, Riad zu einer Stellungnahme zu zwingen, kam vor allem von Trumps Republikanern. Das ist nicht verwunderlich, wenn man die Abhängigkeit der Demokraten von saudischen Spenden kennt. Einige US-Firmen haben ihre Geschäfte mit dem Land bereits eingestellt. In welchem Ausmaß wird Europa folgen?

 

Erstveröffentlichung unter dem Titel Staatsterror im Konsulat in Der Freitag vom 18. 10. 2018, S. 2.

Jamal Kaschoggi