Karin Leukefeld, Damaskus: Es ist heiß in Syrien

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Die Stromversorgung in Damaskus und Umland vor dem Krieg (2011) war – bis auf wenige Ausfälle - weitgehend 24 Stunden/7 Tage die Woche stabil, berichten die Bewohner von Damaskus. Heute ist der Tag von zahlreichen Stromausfällen geprägt. Theoretisch gibt es 3 Stunden mit, 3 Stunden ohne Strom, doch meist ist das Verhältnis 2 Stunden mit und 4 Stunden ohne Strom im Stadtbereich. Im Umland von Damaskus gibt es pro Tag meist nicht mehr als 2 Stunden Strom. Die restlichen 22 Stunden des Tages müssen die Menschen zusehen, wie sie vorankommen.

Der Mangel an Strom betrifft in Syrien alle Lebensbereiche: Unternehmen reduzieren die Arbeitszeit oder stellen den Betrieb ganz ein. Lebensmittel die aus den ländlichen Kornkammern von Deraa, Al Ghab oder dem Umland von Aleppo in die Städte transportiert werden, werden so teuer, dass die Bauern ihre Produkte auf dem Großmarkt oft nur mit Mühe noch verkaufen können. Käse, Eier und Milchprodukte müssen gekühlt werden, was die Preise in schwindelige Höhen treibt. „Wir überlegen drei Mal, ob und wann wir uns Käse oder Eier leisten können“, sagt H., die eine vierköpfige Familie zu versorgen hat. Für viele stehen Milchprodukte gar nicht mehr auf dem Speiseplan.

Auch in Behörden, Banken und selbst an der Grenze macht der Strommangel sich bemerkbar. Quittungen und Personalausweise können nicht ausgedruckt werden. Kliniken können nur mit Unterstützung von großen Notstromaggregaten arbeiten. Selbst am Grenzübergang Jdeidat Youbous, über den Damaskus mit Beirut verbunden ist und der auf libanesischer Seite Masnaa heißt, kann es zu langen Wartezeiten kommen. Wegen der instabilen Stromversorgung fallen schon mal die Computer aus, über die Datenbanken mit den elektronischen Visa aufgerufen werden, mit denen sich einreisende Ausländer neuerdings anmelden müssen.

„Europa digitalisiert sich? Wir auch“, lacht J. und zählt auf, was mittlerweile in Syrien per App „verbraucherfreundlich“ mit dem Handy geregelt werden kann: die Verlängerung eines Parkplatzes, die Bezahlung der Telefonkosten, der Hinweis, dass staatlich subventionierte Güter wie Zucker abgeholt werden können, werden über das Mobiltelefon angekündigt. Eine Nachricht auf dem Telefon kündigt auch die Bereitstellung von 25 Litern Benzin pro Fahrzeug alle drei Wochen an. Diese Menge staatlich teil-subventionierten Benzins mit einem Literpreis von rund 12.300 Syrischen Pfund, SYP (ca. 90 Euro Cent) steht jedem Fahrzeughalter zu. „Aber 25 Liter reichen nicht, also müssen wir Benzin im freien Handel kaufen“, J. zuckt mit den Schultern. „Da bezahlen wir pro Liter zwischen 14.500 und 20.000 SYP.“

Sanktionen blockieren den Wiederaufbau

Fehlende Ersatzteile und Mangel an Öl und Gas, um Elektrizitätswerke zu betreiben, sind der Grund für den Strom- und Benzinmangel, mit dem die Syrer seit mehr als 10 Jahren leben. Ersatzteile fehlen, weil sie auf Sanktionslisten der EU stehen, Öl und Gas fehlt, weil US-Truppen die syrischen Ölfelder Al Omari oder Rmeilan im Osten und Nordosten des Landes besetzt halten. Hinzu kommt das „Caesar-Gesetz“, mit dem die USA Unternehmen, Einzelpersonen und Staaten den Handel mit Syrien verbieten, solange der syrische Präsident noch Bashar al-Assad heißt. Sollte doch jemand in Syrien und im Wiederaufbau investieren wollen, drohen US-Sanktionen.

Der politische Wind dreht sich in Westasien

Die internationalen Umbrüche in Richtung einer multipolaren Weltordnung führen dazu, dass Staaten der arabischen Golfregion trotz angedrohter US-Sanktionen die wirtschaftlichen Beziehungen mit Syrien wiederaufnehmen. Ausgelöst von dem schweren Erdbeben Anfang Februar 2023 förderten sie die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien – beide Mitglieder der Staatengemeinschaft BRICS - haben mittlerweile ihre Botschaften in Damaskus wieder geöffnet und Botschafter entsandt. Saudi-Arabien sagte Syrien Hilfe bei der Wartung und Reparatur der Flugzeuge der Syrien Airline zu, die durch die EU- und US-Sanktionen seit Jahren nicht vorgenommen werden konnten. Die Flugverbindung zwischen beiden Ländern wurde am 30. Mai von Damaskus nach Jeddah wiederaufgenommen. Das bevorstehende islamische Fest Eid al Adha ist der Anlass, doch die Wiederaufnahme der Flugverbindungen Syrien- Saudi-Arabien sowie Kuwait und Syrien tragen erheblich zum Ende der langjährigen Isolation des Landes bei.

Zwischen Syrien und Libanon sind die bilateralen Beziehungen weitgehend in Takt. Anfang Juni (3./4.06.2024) besprachen Delegationen beider Länder die weitere Kooperation im Wasser- und im Ölsektor sowie über die Rückführung syrischer Flüchtlinge aus Libanon nach Syrien.

Der stellvertretende iranische Außenminister Ali Baqeri Kani, nach dem Tod von Außenminister Hossein Amirabdollahian Interims-Außenminister, betonte Anfang Juni auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Amtskollege Feisal Mekdad in Damaskus, die strategische Partnerschaft beider Länder als „zwei Säulen der Stabilität in der Region“.

Auch mit China verbindet Syrien (seit 9/2023) eine strategische Partnerschaft. Dazu gehören Treffen im Rahmen des Kooperationsforums China und der arabischen Staaten. Ende Mai nahm Außenminister Mekdad am 10. Ministertreffen des Kooperationsforums in Peking teil und traf auch mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi zusammen. Mit den arabischen Staaten diskutiert China einen Friedensplan für ein Ende des Krieges im Gazastreifen und plädiert für die Anerkennung Palästinas als UN-Mitgliedsstaat. In Syrien hofft man durch die Initiativen Chinas auch im UN-Sicherheitsrat auf eine Stabilisierung in der ganzen Region.

(Karin Leukefeld, Damaskus)