Klaus Dieter Böhm ist Chef des Thüringer Senders Salve.tv und Mitbegründer von Weltnetz.tv. Zum Prozess, den Diether Dehm kürzlich in Berlin gegen Sahra Wagenknecht wegen Beleidigungen führte, kam es zu folgendem Interview.
Wagenknecht in taz & Co über Dehm
Diether Dehm führt hier aus – was weder in SPIEGEL, ZEIT, WELT, taz, RND, Tagesspiegel, Morgenpost etc. erwähnt wurde, daß der vermeintlich persönliche Streit einen hochpolitischen Hintergrund hat. Spaltung der Friedensbewegung und die Koalitionspolitik des BSW spielten dabei eine entscheidendere Rolle, als einzelne beleidigende Worte.
Klaus Dieter Böhm:
Warum hast du Wagenknecht verklagt?
Diether Dehm:
Kleine Vorgeschichte: Sahra Wagenknecht hatte am 25. Februar 2023 gepostet und an taz, Spiegel & Co geleitet, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank. Danach schrieb sie mir zur Begründung: weil ich dem rechten Magazin Compact ein Interview gegeben haben soll. Hätte sie mich vor ihrem beleidigenden Post mal anrufen lassen, hätte sie erfahren, daß es dieses Interview damals gar nicht gab. Dann warf sie mir vor, mit einem Marktliberalen wie Markus Krall und einem Querdenker wie Ken Jebsen gemeinsam freundschaftlich aufgetreten zu sein. Sie meinte wohl, selber zwar ständig mit Libertären wie Marc Friedrich und Roger Köppel auftreten, anderen aber ähnlichen Umgang verbieten zu dürfen. Als ich ihr entgegnet habe, mir meine Gesprächspartner immer noch selber aussuchen zu wollen, ließ sie über die Apparatschiks um Mohamed Ali verbreiten, man solle mich für geistesgestört erklären. Weshalb ich auch nicht ins BSW dürfe. Was ich übrigens auch nie begehrt habe.
KDB:
Aber wegen so etwas sollte man unter Friedenskämpfern doch nicht vor Gericht ziehen, oder?
DD:
Nein, da hast du recht. Wenn das bei einer offen ausgesprochenen, politischen Divergenz mit Wagenknecht bezüglich Compact, AfD-Leuten oder anderen Marktliberalen geblieben wäre, wäre das auch nichts für die Justiz. Obwohl es übel war, wie Mohamed Alis Apparat mich feindseligen Medien wie Spiegel, Taz, Zeit und beim Berliner Tagesspitzel zum Frass vorwerfen wollte. Die mir dann hämisch vorhielten: `SehenSe, selbst Ihre langjährige Mitstreiterin Wagenknecht behauptet, Sie hätten nicht alle Tassen im Schrank´! Denn in Wahrheit ging es ja nur um unsere völlig unterschiedlichen Auffassungen zum strategischen Umgang mit AfD-Brandmauern und zu Putin.
KDB:
Inwiefern?
DD:
Nun, ich habe mehrfach der BSW-Spitze vorgeworfen, dass sie zwar einerseits völlig zurecht die Frage `Frieden mit Russland´ ins Zentrum der ostdeutschen Landtagswahlkämpfe und der Europawahl Mitte 2024 gestellt hatte, andererseits dann aber irrsinnigerweise mit der einzigen Partei im Bundestag, die auch für `Frieden mit Russland´ ist, mit der AfD, nicht mal Gespräche geführt hat. Und stattdessen dann in Brandenburg und Thüringen mit den beiden Kriegs- und Russenhass-Parteien SPD und CDU Koalitionen eingegangen war. Das hat die Wähler in Scharen vom BSW weggetrieben, die sich wieder ohnmächtig fühlen mussten. Als dann Sahra Wagenknecht in zwei Fernsehinterviews auch noch Putin einen `Kriegsverbrecher´ genannt hat, rutschte das BSW vom zweistelligen in den 5 %-Bereich ab. Noch schlimmer bei den deutschrussischen und serbischen Communities.
KDB:
Aber dann setzte doch im BSW ein Denkprozess ein. Der Russland-Freund Andrej Hunko wurde kürzlich gegen einen Teil der BSW-Spitze sogar zum nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden gewählt. Warum hast du mit deiner jahrzehntelang engen Mitstreiterin Sahra darüber nicht diskutiert?
DD:
Weil Sahra sich befehlen angewöhnt, aber diskutieren verlernt hat! Ich hatte sogar extra angeboten, ins Saarland zu kommen. Aber Wagenknecht und Lafontaine lehnten Gespräche ab, seit ich nicht mehr im Bundestag war. Einerseits in der Angst, es könnte im Spiegel stehen, daß sie mit mir gesprochen hätten. Andererseits, weil Mohamed Ali in Niedersachsen eine Art schwarze Liste mit Ex-Linken geführt hat, die nicht ins BSW durften. Immerhin war ich dort sieben Jahre lang einigermaßen erfolgreich Landesvorsitzender der Linken – inklusive Einzug in den niedersächsischen Landtag mit 7,1%. Und da habe ich heute noch mehr Freunde als Mohamed Ali.
KDB:
Es waren im Hintergrund also strategische Differenzen?
DD:
Ja! Ich sehe zum Beispiel den Extremismus in Deutschland von oben kommend, nicht von den Rändern links und rechts. Diese Sitzordnung seit 1789 ist ebenso wenig eine Scheibe wie die Erde. Politik ist räumlich und prozessual. Die Kernfrage ist nicht mehr links oder rechts, sondern `Frieden mit Russland´ und die Gefahr eines dritten, eines atomaren Weltkriegs. Und da steht in Parlamenten die AfD dem BSW näher als Grüne, CDU, FDP und SPD! Die BSW-Brandmauer ist für die Spaltung der Friedensbewegung mitverantwortlich! Nach ihrem Bundestagsdesaster merkt das Wagenknecht allmählich selbst. Aber sie gibt ihren Fehler nicht offen zu. Stattdessen nennt sie Kritiker lieber verrückt. Aus Rücksicht wohl auf Medien und Mohamed Ali. Nur Oskar „durfte“ mit Tino Chrupalla bei Servus.tv kurz vor dem Bundestagsdesaster ein freundliches Gespräch führen, aber halt zu spät.
KDB:
Welche Rolle spielt Mohamed Ali?
DD:
Eine intrigante. Und eine unglückliche. Die war im Wahlkampf für soziale Medien verantwortlich – ein Totalausfall! Aber sie beherrscht als Strippenzieheriun den BSW-Apparat. Und war ja sogar für Biontech-Spritzpflicht gewesen. Ausserdem hatte Mohamed Ali bei der BSW-Gründung von Wagenknecht verlangt, einige Russlandfreunde aus der alten Bundestagsfraktion nicht hochkommen zu lassen. Aber mittlerweile kuschen immer weniger BSW-Leute vor ihr. Die halten CDU, SPD und Grüne allmählich auch für extremistischer und antidemokratischer als Kräfte um die AfD
KDB:
Womit belegst du das?
DD:
Mittlerweile dürfen ja die BSW-Jugend und BSW-Landtags-Mitglieder dem Compact-Magazin Interviews geben. Immerhin schrieb Wagenknecht am 18. Oktober in der WELT:
„Ebenso dringend wäre es, Liberalismus und Meinungsfreiheit als Voraussetzungen demokratischer Verhältnisse gegen den autoritären Zeitgeist zu verteidigen. Auf die linken Parteien kann man dabei nicht zählen, weil sie in ihrem Wahn, in jedem Andersdenkenden einen verkappten Nazi zu sehen, eine treibende Kraft des autoritären Umbaus unserer Gesellschaft sind.“
Aber genau für diese Erkenntnisse stellte sie jahrelang meine geistige Gesundheit öffentlich in Zweifel.
KDB:
Aber gab es denn niemand, der zwischen euch vermittelt hat? Immerhin wart ihr zwanzig Jahre lang ganz eng Seite an Seite.
DD:
Oh doch. Viele frühere Abgeordnete und jetzige Funktionsträger haben im Saarland darum gebeten, den Konflikt zu entschärfen und das `Verhältnis zur AfD´ sachlich auszubuchstabieren. Aber alle prallten von ihrem Hochmut ab.
Die Schärfe kam also nicht durch mich. Da ich auch mit Rechten spreche, hatte ich sogar in den traditionell rechten „Compact“, „Contrafunk“ und bei „Auf1“ für die Bundestagswahl des BSW geworben. Aber Mohamed Ali ließ sogar weltnetz.tv-Friedensvideos aus Bremen im BSW verbieten, weil ich damit zu tun hätte. Als kürzlich die BSW-Ratsfraktion in Hannover mich für ein Referat im Rathaus über Kulturpolitik eingeladen hatte, antwortete die Mohamed-Ali-Landesspitze den Ratsherren, wenn die mich zu Wort kommen liessen, wäre das der Sargnagel für ihre Karriere. Einem anderen Ratsherrn in Hildesheim, wurde angeboten, ins BSW zu kommen. Aber nur, wenn er parteiöffentlich der Freundschaft mit mir abschwören würde. Daraufhin erklärte er, dann würde er doch lieber parteilos bleiben.
KDB:
Und wie war das mit Tino Eisbrenner. Bei dem soll Sahra im Oktober 24 auch nicht gut über dich gesprochen haben soll.
DD:
Tino hat mich jetzt angerufen und mir erklärt, dass er nicht zu jenen Kulturschaffenden gehört, bei denen Wagenknecht mich beschimpft hat. Ich nehme das jetzt zur Kenntnis und werde keine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin einlegen.
KDB:
Vielleicht hält dich Sahra Wagenknecht in Wahrheit auch garnicht für geistig umnachtet?
DD:
Obwohl sie das Leuten erzählt, glaubt sie das natürlich selber nicht! Dafür hat sie mir in zwanzig Jahren viel zu viele knifflige Probleme privater, politischer und innerfraktioneller Art in PDS und Linkspartei zur Lösung übertragen. Ich musste ihren Einzug ins Europaparlament durch meinen niedersächsischen PDS-Landesverband 2004 sicherstellen. Sogar 2002 Finanzbetrügereien von Wagenknechts Ex-Ehemann Niemeyer, die ihr angelastet wurden. Sogar bis zur Wahl von Mohamed Ali 2020 zur Nachfolgerin von Wagenknecht als Vorsitzende der Linksfraktion, wozu mich Wagenknecht inständig um Hilfe gebeten hatte. Mit dem Prozess wollte ich sie dazu bringen, endlich offen politisch zu argumentieren! Anstatt mir – wie anderen früheren Genossen – hinterm Rücken geistige Schwächen vorzuwerfen. Denn sie neigt dazu, Anhänger kaltherzig wie Spielfiguren zu brauchen.
Wenn Sahra Wagenknecht dem BSW im Dezember tatsächlich ihren Namen entzieht und den vielen Mitstreitern, die für sie in all den Jahren immer durchs Feuer gegangen waren, den Rücken kehren wird, will ich unter dem Titel „Geschäftsmodell Wagenknecht“ eine Bestandsaufnahme publizieren, wie sie in all den Jahren zunehmend treue Anhänger verwurstet hat und zwar nicht nur für ihr politisches Vorankommen, sondern auch für ihr privates Wohlergehen. Ich hatte dazu während des Bundestagswahlkampfs zwei Angebote von Verlagen gehabt, aber abgelehnt. Egomanie mag in „der“ Politik üblich sein. In einer Antikriegs-Partei ist es ein Sargnagel.
KDB:
Das klingt aber nicht nach Burgfrieden?
DD:
Wenn sie, wie schon sooft, zurücktritt und Mohamed Ali das Feld überlässt, versenkt sie nicht nur das BSW und viele ehrliche Kämpfer für Frieden mit Russland, sondern sorgt für ein Weitererstarken der NATO-Kräfte und für Häme bei Journalisten im geheimdienstlich-medialen Komplex.