Längst überfällig! NS-Verwaltungsbeamter weicht einer Künstlerin

Straßenumbenennung in Maria-Luiko-Straße (vorher Hilblestr.) vom 28.10.2022 in München
Produktion: 
Gerhard Hallermayer
Länge: 
0:21:43
Aufzeichnungsdatum: 
28.10.2022

Auch heute noch sind in vielen Städten Deutschlands, die Straßen nach Tätern des NS-Regimes oder dessen Wegbereitern benannt. Namen, wie Robert Rössle oder eben Friedrich Hilble tauchen in fast jeder größeren Stadt in Deutschland auf. Ein vielfach diskutiertes und kontroverses Thema.
So auch in München. Hier wird vorwiegend im Stadtrat und der eigens dafür einberufenen Expertenkommission sehr viel darüber gesprochen und diskutiert, welche Straßennamen deshalb überdacht und womöglich ausgetauscht werden sollten. Einer dieser kontroversen Straßennamen war die Hilblestraße, die nun am 28.10.2022 in Maria-Luiko-Straße unbenannt wurde.

Nachfolgend fügen wir beide Biografien mit an, um zu verdeutlichen, warum das Diskutieren über die Umbenennung mancher Straßennamen durchaus gerechtfertigt ist.

Friedrich Hilble:
Friedrich Hilble (* 10. Juni 1881; † 4. Juni 1937) war ein Münchener Verwaltungsbeamter und berufsmäßiger Stadtrat.

Friedrich Hilble trat 1917 in die Münchner Stadtverwaltung ein. Er war später bis zu seinem Tod im Jahre 1937 Leiter des Münchner Wohlfahrtsamtes und berufsmäßiger Stadtrat.[3] Bereits vor der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 war er ein Befürworter der Pflichtarbeit für Erwerbslose und von Kürzungen im Sozialbereich, anschließend verfolgte er diese Linie gegen „Asoziale“ und „Schmarotzer“ noch konsequenter.[4] Schließlich profilierte er sich auch bei der Diskriminierung jüdischer Wohlfahrtsempfänger und suchte um Schulung seiner Mitarbeiter in „Rassenpflege“ sowie NS-Ideologie nach. Er war zwar kein Mitglied der NSDAP, trat jedoch der NSV bei. Während der Weimarer Republik war er Mitglied der BVP.

Ab 1934 konnten „arbeitsscheue“ Fürsorgeempfänger tatsächlich in das KZ Dachau eingewiesen werden; das Münchner Wohlfahrtsamt unter Hilble war dabei bayernweit Spitzenreiter. Damit verkörperte Hilble „das schleichende Abgleiten der Sozialpolitik in das völkische Fahrwasser“.[8] Die Politikwissenschaftlerin Claudia Brunner charakterisierte ihn als „Musterbeispiel eines pflichtgetreuen peniblen deutschen Beamten“, dessen „Verdienste“ in der „unbarmherzigen Durchsetzung nationalsozialistischen Gedankenguts“ und der „uneingeschränkten Loyalität gegenüber einem unmenschlichen Regime“ bestanden. Eine stärkere Verstrickung Hilbles in den Nationalsozialismus, so die Überzeugung Brunners, sei nur durch seinen Tod wegen eines Gallenleidens 1937 verhindert worden. (Stadtgeschichte München)

 

Maria Luiko:
Die Münchener Künstlerin Maria Luiko (1904-1941) wäre fast vergessen worden. Maria Luiko teilte in ihrer bisherigen Vergessenheit das Schicksal vieler junger Künstler der 1920er und 1930er Jahre, einer "verschollenen Generation". Mit dem Buch von 2009 gelingt Diana Oesterle die Überwindung dieser "Geschichtslosigkeit". Erstmals werden Leben und Werk der Münchenerin Maria Luiko umfassend dokumentiert, deren Karriere als Graphikerin und Marionettengestalterin in den 1930er Jahren ein abruptes Ende fand:

Als Jüdin und Künstlerin war Maria Luiko in besonderem Maße den Repressalien der Nationalsozialisten ausgesetzt. 1941 wurde sie von den Nazis ihrer Heimatstadt deportiert und in Kaunas (Litauen) mit ihrer Mutter und ihrer Schwester ermordet.

Sie stellte in den frühen 30er NS-Jahren ihr Atelier für Ausstellungen und Theaterproben zur Verfügung und entschied mit dem Vorstand des Kulturbundes über ein passendes Signet. Mit eigenen Werken nahm sie an verschiedenen Ausstellungen teil, so zum Beispiel an einer “Grafischen Ausstellung bayerischer jüdischer Künstler” 1934 in München.

1935/36 entwarf sie das Bühnenbild für das Schauspiel “Sonkin und der Haupttreffer” von Semen Juschkewitsch, das in den Räumen des Münchner Kulturbundes aufgeführt wurde. In dieser Zeit entstanden so eindrucksvolle Werke wie ihr Selbstbildnis, ein Portrait von Ben-Chorin“mit der Widmung „Ihrem lieben Freund Ali“ sowie das Ölgemälde „Die Marionetten“.

Das Verbot vom 1. Januar 1936, das allen jüdischen Künstlern untersagte einen Künstlernamen zu führen, muß Maria Luiko sehr getroffen haben, da sie unter diesem Namen in der Kunstszene bekannt war.

Marie Luise Kohn wurde am 25.1.1904 in München geboren. Sie entstammte einer Familie des gehobenen Bürgertums. Die Eltern waren alteingesessene bayerische Juden, die Mutter kam aus Würzburg, der Vater Heinrich, der 1933 starb, war gebürtiger Münchner und Besitzer einer Großhandelsfirma für Getreide und Futtermittel. Marie Luise Kohn hatte eine ältere Schwester, Dr. Elisabeth Kohn (geb. 11.2.1902), eine der ersten Rechtsanwältinnen Bayerns. Bis zu ihrer Deportation wohnten die Schwestern mit ihrer Mutter im Münchner Stadtteil Neuhausen. Am 20.11.1941 wurden sie im ersten Zug aus München gemeinsam mit tausend anderen MünchnerInnen deportiert und am 25.11.1941 in Kowno (de: Kaunas) ermordet. (München Wiki)


Aufnahmen produziert von Gerhard Hallermayer

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