"Israels Atomwaffen destabilisieren Nahen Osten"

Israel wendet sich gegen eine Resolution, die die israelischen Atomanlagen der Inspektion durch die IAEA unterwerfen würde
Video: 
The Real News
Länge: 
00:09:13
Übersetzung; Doris Pumphrey, weltnetz.tv

Das Atomabkommen mit Iran bietet die Möglichkeit, Israels Atomwaffenarsenal den Kampf anzusagen, meint Phyllis Bennis im Interview mit Real News Network (TRNN)

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JARED BALL: Willkommen bei Real News Network. Ich bin Jared Ball in Baltimore.

Israel unternimmt alles um eine Resolution zu verhindern, die seine Atomanlagen der Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA unterwerfen würde. Die Resolution wurde von Ägypten eingebracht und wird Mitte September abgestimmt. Iran wird sie wahrscheinlich unterstützen. Letzten Freitag erschien vom iranischen Außenminister ein Artikel im Guardian mit dem Titel: "Iran unterzeichnete ein historisches Abkommen – Jetzt ist Israel an der Reihe".

 

Mit uns diskutiert Phyllis Bennis. Sie ist Mitarbeiterin und Leiterin des New Internationalism Project am Institute for Policy Studies in Washington, DC. Sie ist Autorin der Bücher: Before and After: U.S. Foreign Policy and the September 11th Crisis, Ending the U.S. War in Afghanistan: A Primer, and Understanding the U.S.-Iran Crisis: A Primer.

Willkommen bei Real News Network.

Können Sie uns zunächst etwas zur Resolution sagen, besonders vor dem Hintergrund des Atomabkommens zwischen Iran und der Obama-Regierung?

BENNIS: Eigentlich wäre seit langem Israel an der Reihe, das einzige Land, das in der Region ein Atomwaffenarsenal besitzt, im Gegensatz zum Iran, der mit allen möglichen Sanktionen bestraft wurde, weil er vielleicht irgendwann entscheiden könnte Atomwaffen zu bauen. Alle US Geheimdienste sind sich einig, dass er diese Entscheidung bis jetzt nicht getroffen hat.

Israel hat tatsächlich zwischen 300 und 400 High-Density Atomwaffen in der Dimona Atomanlage in der israelischen Wüste. Israel weigert sich, deren Existenz zu bestätigen oder zu dementieren. Die ganze Welt weiß, dass sie existieren – seit Anfang der 1980er Jahre, als Mordechai Vanunu, ein israelischer Nukleartechniker, Fotos in der Dimona Atomanlage machte und aus dem Land floh, um sie zu veröffentlichen. Er wurde von Israel festgenommen und zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt, verbrachte fast 18 Jahre in Einzelhaft, wurde erst kürzlich entlassen mit großen Einschränkungen, wen er treffen oder was er sagen kann etc. Er zahlte einen sehr hohen Preis.

Keine Frage, Israel hat Nuklearwaffen. Es hat diese gebaut aber ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten. Das bedeutet, diese Waffen unterliegen keiner Inspektion irgendeiner internationalen Agentur. Wir wissen nicht, ob sie veraltet sind, durch Korrosion angegriffen, ob toxische Chemikalien oder radioaktives Material in die Wüste, in die See sickern. Wir können es nicht erfahren. Es gibt seit Jahren Bemühungen – die von Ägypten sind nur die jüngsten – eine Zone ohne Massenvernichtungswaffen, eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten zu schaffen.

Die USA haben Israels Widerstand gegen diese Forderung immer akzeptiert und ließen es Israel durchgehen. Dies ist also ein weiterer Versuch in der Folge des Abkommens zwischen Iran und den sechs Weltmächten, Iran daran zu hindern, künftig Atomwaffen zu bekommen, falls er dies beschließen würde. Stattdessen wird gesagt, lasst uns eine atomwaffenfreie Zone im ganzen Nahen Osten schaffen. Und Israel sagt weiterhin Nein. Das israelische Außenministerium beauftragte alle seine Diplomaten weltweit gegen diese Resolution zu kämpfen, obwohl diese Resolution nicht einmal bindend ist. Sie könnte im September anstehen.

Und es gibt noch kein Anzeichen, dass die Obama Regierung das tun wird, was sie tun müsste, wäre sie wirklich für die Nichtverbreitung in dieser Region. Sie sollten mit der Abrüstung in der Region beginnen. Das ist nicht mal eine Frage der Nichtverbreitung, sondern eine Frage der Abrüstung des existierenden, schrecklichen und gefährlichen Waffenarsenals.

BALL: Sie haben zu Recht gesagt, dass alle, die das verfolgen, wissen, dass Israel Atomwaffen hat. Könnten Sie auch etwas dazu sagen, wie Israel zu diesen Waffen gekommen ist. Gibt es etwas in der Geschichte der Aneignung dieser Waffen, das sich auf die Antwort auf das Iranabkommen auswirkt und auf die allgemeine politische Situation in der Region heute?

BENNIS: Das ist eine wichtige Frage. Israel begann die Arbeit an Atomwaffen in den 60iger bis in die 70iger Jahre. Ursprünglich half vor allem Frankreich. Die USA sind erst später dazugekommen, vor allem nach 1967.

Aber die Israelis hielten das sehr geheim. Berichten zufolge testeten sie ihren ersten atomaren "Sprengsatz" – sie sagen ungern Atombombe – in Kollaboration mit dem Apartheidstaat Südafrika vor der Küsten Südafrikas in 1979. Ungefähr 4 Jahre bevor Vanunus Fotos der Welt offenbarten, was viele schon vermuteten, dass Israel ein Atomwaffenarsenal baute in seiner Dimona-Anlage in der Wüste.

Seitdem weigert es sich, deren Existenz zu bestätigen oder zu dementieren. Israel sagt, wir werden nicht die ersten sein, die Atomwaffen in die Region "einbringen". Eine bewusst zweideutige Erklärung. Einige Diplomaten meinen, es bedeute, es würde sie nicht als erste einsetzen. Da Atomwaffen eigentlich dazu da sind, andere davon abzuhalten mit einem Militärschlag zu drohen, und da alle wissen, dass Israel sie besitzt, wirken sie destabilisierend auf die Region. Wenn man sich die Rüstungswettläufe im Nahen Osten ansieht, wird klar, dass Israels uneingestandenes, unkontrolliertes aber berüchtigtes Atomwaffenarsenal ein Hauptgrund ist.

BALL: Falls die Resolution angenommen wird, wie würde sich das auf Israel als einen der mächtigsten Akteure im Nahen Osten auswirken?

BENNIS: Zunächst gar nicht. Wie andere Resolutionen der UNO-Generalversammlung ist sie nicht bindend. Resolutionen, die in der Internationalen Atomenergiebehörde, die UNO Atomaufsichtsbehörde IAEA, eingebracht werden, wie Ägypten es tut, werden nicht als bindend betrachtet. Und jedes der 40 Länder im Direktorium, ich glaube es sind 40, kann ein Veto einlegen.

Wenn die USA Nein sagen, was sie bis jetzt immer taten – sie hatten Israel immer davor bewahrt, die Existenz der Waffen zuzugeben oder zu dementieren, die Waffen irgendeiner Inspektion zu unterwerfen – so werden sie es höchstwahrscheinlich wieder tun. Vor allem jetzt, da Israel den Kampf gegen das Iran Atomabkommen anführt. Es gibt kein Anzeichen, dass die USA gegen Israels Atomwaffen vorgehen werden. Sie sollten es.

Die USA sollten die Gelegenheit ergreifen und wieder die Position einnehmen, die ironischerweise viele Jahre ihre Position war, seitdem sie einer Resolution zustimmten, 1991 im UNO Sicherheitsrat. Dessen Beschlüsse sind völkerrechtlich bindend. Es war die Resolution, die den ersten Golfkrieg beendete, den ersten US Krieg gegen Irak 1991. Sie wurde als Mutter aller Resolutionen bezeichnet, weil sie sehr lang war.

Sie enthielt Artikel 14 – es geht um die Resolution 687, falls jemand nachschlagen möchte. Artikel 14 fordert als Ziel eine Zone im Nahen Osten, frei von allen Massenvernichtungswaffen und den entsprechenden Trägerraketen. Ohne Ausnahme. Keine israelische Ausnahme. Das ist die US Position.

Ich erinnere mich, dass ich einmal einen Vertreter des State Department fragte, was er sich dabei dachte, als sie das niederschrieben und dann dafür stimmten. Er lachte abweisend und sagte, "wir wussten, dass sie sowieso keiner ernst nimmt". Ich sagte, aber wir nehmen sie sehr ernst. Er erwiderte: "Wir nicht.".

Das war also die US-Position 1991 und danach. Die große Frage, die man heute Obama stellen sollte, ist, ob er das ernster nimmt als sein Vorgänger. Als die Regierung Bush sagte, wir nehmen das nicht ernst, kam Obama an die Macht und versprach sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen. Es gäbe keinen besseren Ort, um das, was bereits offizielle US Position ist, zur Geltung zu bringen: eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten zu fordern.

BALL: Phyllis Bennis, herzlichen Dank für Ihre Teilnahme hier bei Real News Network.

Phyllis Bennis im Interview mit Real News Network

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