Mit der Kundgebung am 20.9. 2025 im Stadtpark in Grafenwöhr protestierten Friedensorganisationen gegen die geplante Stationierung von neuen Mittelstreckenflugkörpern der US- Army in Grafenwöhr.
Nach Einschätzung des Trägerkreises sind die geplanten unterschiedlichen Typen von Flugkörpern mit Reichweiten bis zu 3000 Kilometern dazu geeignet, russische militärische Ziele wie Kommandozentralen und Raketen präventiv zu zerstören. Die Hyperschallrakete „Dark Eagle“ kann Moskau in nur wenigen Minuten erreichen. Dadurch wird die Zeitspanne für Entscheidungen extrem verkürzt. Nach der militärischen Logik muss die russische Militärführung dann ebenfalls versuchen, die Waffensysteme in Grafenwöhr zu zerstören. Ein permanenter Alarmzustand auf beiden Seiten wäre die Folge. Ein Atomkrieg wegen einer Fehlwahrnehmung wird wahrscheinlicher. Die gesamte Region um Grafenwöhr würde zum hochrangigen Ziel für Präventiv- und Vergeltungsschläge im drohenden Atomkrieg.
Der Trägerkreis will darüber hinaus auf den Skandal hinweisen, dass die Stationierung nur in einer Absichtserklärung zwischen dem damaligen Bundeskanzler Scholz und dem US-Präsident Joe Biden beschlossen wurde. Es gab keine öffentliche Diskussion und keine Entscheidung des deutschen Bundestages in dieser lebenswichtigen Frage.
Trägerkreis
IPPNW- Regionalgruppe Weiden
Friedensforum Nürnberg
DFG-VK Regionalgruppe Oberpfalz und LV Bayern
Friedensforum Fürth
FriedensInitiative Neumarkt
Erlanger Bündnis für den Frieden
Flyer zur Kundgebung
http://dfg-vk-bayern.de/wp-content/uploads/2025/08/2025-Keine-MSR-Flyer.pdf mit Informationen zu den Mittelstreckenwaffen, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden könnten und Vorschlägen zur umfassenden und allgemeinen Abrüstung.
Rede
Liebe Freunde und Freundinnen des Friedens!
Wir stehen heute hier, weil wir für Abrüstung zu demonstrieren.
Mir persönlich ist sehr danach, diese Forderung heraus zu schreien:
Macht endlich Frieden! Laßt die Waffen schweigen!
Und damit direkt einhergehend: Keine weitere Kriegsvorbereitung in
Deutschland – denn Verteidigung beginnt mit Verhandlung, und nicht
mit Aufrüstung.
Daß ein Krieg auch in unserem bislang so friedlichen Land zu
grauenvollem Leid und Zerstörung führen würde sieht man aktuell in
der Ukraine, deren Städte durch gewaltsame Landesverteidigung
verwüstet und ganze Landstriche durch Minen und wahrscheinlich
auch durch uranhaltige Munition für Generationen verseucht wurden –
schon in der Tagesschau vom Dezember 2024 hieß es, das zu diesem
Zeitpunkt ungefähr 40% des Gebietes der Ukraine vermint sein
könnten – eine tödliche Saat, die diese Gegenden für Jahrzehnte in
Gebiete des Todes und der Angst verwandeln wird.
Allerdings werden, aufgrund der zentralen Lage Deutschlands und der
Weite des dann befürchteten Krieges, seine die Auswirkungen bei uns
eher so aussehen wie aktuell im Gaza-Streifen –
Wollen wir, daß unsere Heimat so geschändet wird?
Krieg ist Krankheit, keine Lösung, dieser Satz des Pazifisten Eugen
Drewermann stimmt auf‘s Wort, egal, ob er als ein illegitimer
Angriffskrieg wider das Völkerrecht oder zur Verteidigung im eigenen
Land geführt wird.
Deshalb sagen wir hier mit aller Kraft, die uns zur Verfügung steht:
Keine Stationierung von Mittelstreckenraketen in Grafenwöhr! Keine
weitere Aufrüstung und Angstmache in der Bevölkerung, sondern
Verhandlung, auch mit Angstgegnern!
Und als Ärztin fordere ich: keine Militarisierung unseres
Gesundheitswesens und kein Ausbau von verharmlosend sogenannter
„Zivilschutzstärkung“ als Kriegsvorbereitung!
Die uns Regierenden werden diesen Schrei der Verzweiflung nicht
hören, aber sie sollten es.
Lassen Sie mich vielleicht in wenigen Worten skizzieren, was es mit
der sogenannten Militarisierung des Gesundheitswesens auf sich hat.
Zunächst einmal: Unter dem Schlagwort „Stärkung der
Zivilschutzfähigkeit“ wird die Vorbereitung unserer Gesellschaft auf
kriegerische Auseinandersetzungen verstanden.
Erst vor ein paar Tagen erhielt ich als Mitglied der Bergwacht Bayern
einen Link zu einem sogenannten „Microlearning für die
Organisationen zur Härtung der Zivilschutzfähigkeit der
Hilfsorganisationen in Bayern“.
In diesem Kursus wird bedrohlich ein Angriffsszenario aus dem Osten
an die Wand gemalt. Die Hilfsorganisationen sollen darauf eingestimmt
werden, im Ernstfall Katastrophenotfallpläne abrufbar zu haben, die
dann zum Einsatz kommen sollen. Was für eine eine Augenwischerei!
Wir müssen uns hüten vor diesem Märchen, das uns erzählt wird:
Das Fitmachen unseres Gesundheitswesens für menschengemachte
Katastrophenszenarien kann uns leider nicht, aber auch gar nicht vor
den Auswirkungen von Tod und Verwüstung durch Krieg schützen.
Da wären zunächst einmal die persönlichen Folgen zu nennen:
Als Ärztin kenne ich die Auswirkungen von Geschossen im Körper und
könnte sie Ihnen in aller Ausführlichkeit schildern.
Haben Sie schon einmal einen Menschen gesehen, dessen Gesicht
von einem Sprengkörper halb weggerissen wurde?
Die Person, an die ich denke, starb jämmerlich auf einer exzellent
ausgestatteten Intensivstation – und sie war glücklicherweise dort der
einzige Kranke mit einer solchen Verletzung. Krieg bedeutet, daß es
abertausende von ähnlichen Patientinnen geben wird – Soldatinnen,
aber auch Zivilisten. Dieses im Kriegsfall sehr reele Szenario würde
unser schon jetzt an der Kapazitätsgrenze ächzendes
Gesundheitssystem vollständig kollabieren lassen.
Ich möchte mir nicht vorstellen, daß Raketen, ähnlich denen,die hier
stationiert werden sollen, in die Körper von unschuldigen Menschen
dringen und dort explodieren, in die Leiber von Erwachsenen, Alten
und Kindern, sie verletzten, zerfetzen, verstümmeln und töten – und
daß das nächste Krankenhaus, gänzlich überlastet, zuerst die
verwundeten Soldatinnen behandelt und die notleidende Bevölkerung wird, wenn überhaupt, an zweiter Stelle behandelt werden dürfen. Im Kriegsfall würde nämlich eine sogenannte „Reverse Triage“ gelten, in der die Kampfesfähigkeit des Soldaten und seine Wiederherstellung oberstes Ziel ist – die Verletzungen und Erkrankungen von zivilen Bevölkerungsgruppen wird nachranging behandelt werden. Die Bundeswehr rechnet mit bis zu 1.000 schwerverletzten Soldatinnen täglich, über Jahre hinweg. Zudem wird in solchen Szenarien eine massive Flüchtlingswelle von verletzten Zivilistinnen erwartet. Dem stehen bundesweit fünf Bundeswehrkrankenhäuser mit insgesamt 1.800 Betten gegenüber – eine Kapazität, die in zwei Tagen erschöpft wäre. Das zivile Gesundheitssystem müsste einen erheblichen Teil seiner räumlichen und personellen Ressourcen dem Militär zur Verfügung stellen. Ganz konkret kann das zum Beispiel heißen, daß dringend notwendige Operationen von Zivilpersonen verschoben werden müssten, weil Soldatinnen die vorhandenen Operationskapazitäten ausschöpfen –
und daß damit eine Krankheitsverschlimmerung oder sogar der Tod der
Wartenden billigend in Kauf genommen wird.
Wie ginge es Ihnen damit, wenn Sie oder einer Ihrer Angehörigen der
Kranke wären, dessen Tumor dann ungebremst weiter wuchern oder
dessen Magendurchbruch nicht versorgt werden könnte?
Eben dieses Krankenhaus, das eigentlich zur Versorgung von
Zivilistinnen dienen sollte, geriete allerdings in Gefahr, durch Beschuss bereits verwüstet worden zu sein. Im Gaza-Streifen sehen wir heute schon, daß es keinerlei Hemmungen mehr gibt, auch sogenannte geschützte Bereiche als Kriegsschauplätze zu mißbrauchen. Wollen wir das? Ich als Ärztin möchte es nicht, und mein Protest richtet sich nicht nur gegen die Waffen, die zu diesen Zerstörungen und Verletzungen führen werden, sondern auch gegen das Trainieren von Gesundheitsberuflern für einen imaginierten kriegerischen Ernstfall, der, sollte er eintreten, alle Übungsszenarien in null komma nix sprengen wird. Uns soll weis gemacht werden, daß ein Krieg „handhabbar“ sei – aber er ist es nicht. Er bedeutet das pure Chaos für alle Betroffenen. Eine weitere Steigerung dieser Schreckensszenarien droht bei dem Einsatz von Atomwaffen. Die sogenannte Modernisierung von atomaren Waffensystemen leugnet ganz bewußt deren unkalkulierbare und massenvernichtende Wirkung.
Als Ärztinnen der IPPNW sagen wir ganz klar, daß der Einsatz von Atomwaffen, aber auch die Bombardierung von Atomanlagen menschengemachte Katastrophenszenarien Realität werden lassen, denen wir als Ärztinnen völlig ohnmächtig hilflos gegenüberstehen.
Hiroshima und Nagasaki haben uns das unbeschreibliche Leid gezeigt,
das resultiert, wenn willentlich atomare Kräfte gegen Mensch und
Natur entfesselt werden.
Jedwede Ausarbeitung von Katastrophenplänen wird an den
gigantischen Dimensionen der dann eintretenden Vernichtung
scheitern, ganz abgesehen von den zerstörerischen Spätfolgen für die
Umwelt und den Menschen, die den zeitlichen Rahmen einer
menschlichen Lebensspanne weit überschreiten werden.
So zu tun, als könne man Atomwaffen „beherrschen“, bedeutet, die
Bevölkerung in einer heuchlerischen und trügerischen Sicherheit zu
wiegen, die im Ernstfall sich in Nichts auflösen und in
unbeschreiblichem, unvorstellbarem Leid, Chaos und Schrecken enden
wird.
„Wir werden Euch nicht helfen können“, so lautete schon vor Jahren
die nüchterne Bilanz und die eindringliche Mahnung der Ärzteschaft,
um Atombomben und, so müssen wir heute sagen, Angriffe auf
Atomanlagen sowie den Einsatz von uranhaltiger Munition, ein für alle
Mal zu ächten.
Eine weitere Militarisierung in Deutschland bedeutet außerdem nicht
nur ungebremste Ausgaben für zerstörerische Waffen mit Folgen
weiterer Verschuldung, sondern, damit einhergehend, auch weniger
Geld für soziale Leistungen.
Schon jetzt wird fast jeder zweite Euro des Bundeshaushaltes in
Ausgaben gesteckt, die dem Ausbau von Kriegsstrukturen dienen
sollen – Geld, daß besonders für sozial Schwache fehlen wird, für
genau die Menschen, die es am nötigsten bräuchten.
Wollen wir wirklich unseren Sozialstaat zu einem Kriegsstaat umrüsten
lassen?
Bislang haben wir nur auf die physischen Folgen geblickt – die
psychischen Traumatisierungen, die durch Krieg und Flucht in die
Seelen der Betroffenen gebrannt werden, hinterlassen jedoch Wunden,
die in der gesamten Bevölkerung über Generationen weitergegeben
werden. Noch heute berichtet mein Vater, mittlerweile 88-jähirg, davon,
daß er nachts aufwacht weil die Bombennächte des zweiten
Weltkriegs, die er in Duisburg miterleben musste, ihn immer wieder in
fürchterliche Alpträume stürzen.
Militär und Gewalt sind Siamesische Zwillinge – Deutschland
kriegsfähig zu machen heißt nicht zuletzt eine Verrohung der
Bevölkerung und ein Verlust an humanitären Werten in unserer
eigenen Gesellschaft – Werte, die wir eigentlich verteidigen wollen.
Wir selbst werden diese Werte schleichend verlieren, blind geworden
durch das Gift einer Propaganda, die uns den Gegner als absolut
Bösen vor Augen führen möchte.
Aber was passiert mit uns selbst, wenn wir ihn mit Mord und
Verwüstung bekämpfen?
Blut kann nicht mit Blut abgewaschen werden, das wusste schon
Bertha von Suttner vor mittlerweile gut einhundert Jahren Aufrüstung heißt, die Gefahr von Krieg willentlich in Kauf zu nehmen,
ja, sie sogar herbeizureden – mit allen seinen grausamen Folgen, die
ein Großteil der Bevölkerung unseres Landes glücklicherweise nie
persönlich kennenlernen musste, und die sie sich offensichtlich
überhaupt nicht vorstellen kann.
Deshalb meine dringliche Bitte:
Liebe uns Regierende: Besinnt Euch auf die uns einenden Werte von
Mitmenschlichkeit und Solidarität! Sorgt in demokratischem Auftrag für
Euer Volk, indem ihr Euch dafür stark macht, daß der Weg zum
Frieden auf jeder Straße dieses Landes gegangen wird – und zwar
nicht in Militärstiefeln, sondern durch Verhandlungen, Hand in Hand mit
denen, die sich dafür einsetzen, Gesundheit zu erhalten und Krankheit
zu bekämpfen.
Krieg mit allen Mitteln zu verhindern ist und bleibt unser präventiver
Auftrag – Frieden ist nicht nur ein Ziel, sondern er ist der Weg, und er
beginnt hier und jetzt bei jedem Einzelnen mit einem ersten Schritt des
persönlichen Engagements wie zum Beispiel des Protestes gegen die
Stationierung von Kriegsgerät, das nicht nur Geld und Ressourcen,
sondern auch Leben kosten wird.
Wir brauchen keine Ausgaben für ein mörderisches Waffensystem,
sondern Geld für ein menschliches Gesundheitssystem in einer
lebendigen, mitmenschlich fühlenden Gemeinschaft.
Daher fordern wir als Ärzt*innen für den Frieden: keine Stationierung
von Raketen hier in Grafenwöhr oder anderswo! Kein heuchlerisches
„Fitmachen“ unserer zivilen Strukturen und unserer Krankenversorgung
für einen herbeigeredeten Krieg, sondern sinnvolle Investitionen der
Gelder in ein solidarisches Gesundheitssystem, das unsere
Gesellschaft stärkt, indem es die Schwachen darin schützt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.