Kriegsmarine oder Umweltschutz?

Kriegsmarine oder Umweltschutz

Aktuell wird in der deutschen Politik die globale Präsenz der Bundeswehr voran getrieben, einmal durch Auslandseinsätze und zum anderen durch die Aufrüstung der Marine. Dazu heißt es auf einer Bundeswehr-Webseite:

„Von der schnittigen Fregatte bis zum topmodernen Unterseeboot – mit ihren Seesystemen ist die Bundeswehr für ihre Einsätze auf allen sieben Weltmeeren vielseitig ausgerüstet.“[1]

 

Aufrüstung mit „nationaler Schlüsseltechnologie“

 

Welche Rolle der militärische Schiffbau spielt, kann man aus entsprechenden Strategiepapieren der Bundesregierung heraus lesen. Die Rede ist hierbei von dem Bundeswirtschaftsministerium, das in gewissen Abständen Strategiepapiere „zu Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland“ erstellt. Darin werden unterschieden: Ebene 1: „nationale Schlüsseltechnologie“; Ebene 2: „Sicherung der Technologie in Kooperation mit europäischen Partnern“ und Ebene 3: „Rückgriff auf global verfügbare Technologien“.

 

Grafik entnommen aus: Strategiepapier zur Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland (Februar 2020)

 

Manche Details haben dabei eine gravierende Konsequenz: Wurden 2015 noch „Überwassereinheiten“ auf den Ebenen 2 und 3 angesiedelt und lediglich „Unterwassereinheiten“ auf der Ebene 1, so findet sich im aktuellen Strategiepapier der „Marineschiffbau (Über-/Unterwasserplattformen) komplett auf der Ebene 1.[2] Hintergrund ist hierbei, dass Anfang 2020 der Auftrag für den Bau deutscher Mehrkampfschiffe MKS 180 an einen holländischen Schiffbauer ging, was für einige Kontroversen sorgte, obwohl deutsche Werften als Nachunternehmer durchaus auch an der Produktion partizipieren sollen. Die Neudefinition als Schlüsseltechnologie soll als Hebelwirkung eingesetzt werden, um bei künftigen Aufträgen dieser Art abweichend vom EU-Vergaberecht deutsche Werften zu bevorzugen. Das zeigt sich auch aktuell bei der Debatte um die Konsolidierung im deutschen Schiffbau durch den Zusammenschluss der Werften Lürssen und German Naval Yards. Die IG Metall Küste nahm dieses zum Anlass, eine weitergehende Fusion unter Einbeziehung von Thyssenkrupp Marine Systems zu fordern. Der IG-Metall-Bezirksleiter Friedrich wörtlich: „Es braucht eine Gesamtlösung für Unter- und Überwasserschiffbau in Deutschland, um dann eine europäische Strategie zu entwickeln“. Das Bremer Friedensforum hat dieses in einem Brief an die IG Metall kritisiert und zum Umdenken aufgefordert, statt Strategien der Rüstungsprofiteure zu unterstützen.[3] Doch glaubt man den Verlautbarungen der IG Metall auf Bundesebene, ist dieses Umdenken bereits längst der Fall. Bereits am 29. Juni 2019 die organisierte die IG Metall eine Großdemo in Berlin zum sozial-ökologischen Umbau, wozu auch eine gemeinsame Erklärung mit den führenden Umweltschutzorganisationen BUND und Nabu erfolgte. Am 9. April d.J. wurde dieses in einer neuen gemeinsame Erklärung von IG Metall und BUND vor dem Hintergrund der Corona-Krise und deshalb notwendiger Konjunkturprogramme bekräftigt. Darin heißt es: „Auch Konjunkturprogramme können dazu dienen, gute Arbeit zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sie sind darüber hinaus eine Chance, den ohnehin notwendigen Umbau zu einer umweltverträglichen und sozial gerechten Wirtschaft voranzutreiben, in der das Gemeinwohl im Fokus steht.“[4] In dem Anfang Juni beschlossenen „Konjunktur- und Zukunftspaket“ wird allerdings mit einem Anteil von 10 Mrd. Euro festgelegt, dass „neue Rüstungsprojekte mit hohem deutschen Wertschöpfungsanteil, die noch in den Jahren 2020 und 2021 beginnen können, sofort umgesetzt werden“.[5] Das heißt: Wirtschaftsförderung statt Zukunftsinvestitionen.

 

Weltkriegsbomben als Zeitbomben in Nord- und Ostsee

 

Ein für den Schiffbau relevantes Beispiel für notwendige Investitionen in die ökologische Daseinsvorsorge sind die etwa 1,6 Millionen Tonnen Munition und chemische Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, die noch immer auf dem Grund von Nord- und Ostsee liegen. Nicht nur durch direkte Kriegshandlungen gelangten sie ins Meer. Ganze Schiffsladungen mit Munition aus Beständen der Wehrmacht haben deutsche Seeleute auf Befehl der Alliierten nach der Kapitulation Deutschlands ins Meer gekippt. Das riesige Arsenal versenkter Bomben, Granaten, Minen und Torpedos erweist sich nach nunmehr 75 Jahren als tickende Zeitbombe.

 

Aktuell wird von dem Naturschutzverband Nabu die Bergung dieser Munition nachdrücklich eingefordert. Hierzu sei ein breites Bündnis als Zusammenschluss von Bund und Ländern notwendig, um eine naturverträgliche Bergung der Altlasten vorzunehmen. Der Rostocker CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Stein wird in einem entsprechenden Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) vom 18.4.2020 mit dem Satz zitiert: „Die Altlasten schaffen Arbeit für 100 Jahre, doch geben uns Experten wegen der fortschreitenden Materialkorrosion nur 20 Jahre Zeit, um Schlimmeres zu verhindern.“ Für Bergung oder Beseitigung der in Nord- und Ostsee versenkten Kampfmittel würden nach aktuellen Schätzungen 70 bis 100 Mrd. Euro veranschlagt, so der RND-Bericht. Die Beseitigung der Munitionsreste auf dem Meeresgrund dürfte nicht ohne größere Investitionen in spezielle Unter- und Übersee-Fahrzeuge möglich sein, die mit Robotersystemen ausgerüstet werden können, die bereits verfügbar, aber noch zu erproben sind.[6]

 

Alternativen zum Bau von Marine-Kriegsschiffen drängen sich damit geradezu auf. Unbeantwortet bleibt hingegen die Frage, wofür denn die „Präsenz auf allen sieben Weltmeeren“ durch die Bundesmarine gut sein soll. Als Drohung gegen China im Südchinesischen Meer gemäß den Prämissen unserer „US-amerikanischen Freunde“? Dabei wäre gerade der Handel mit China wichtig für ein Wieder-Ankurbeln der Konjunktur in Deutschland. Existenziell notwendig sind jedenfalls vielfältige Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland für Umweltschutzaufgaben, wozu auch der Schiffbau an der Küste durch sozial-ökologische Rüstungskonversion notwendig ist.

 


[1] https://www.bundeswehr.de/de/ausruestung-technik-bundeswehr/seesysteme-bundeswehr (abgerufen am 6.6.2020)

[2] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T/strategiepapier-staerkung-sicherits-und-verteidigungsindustrie.pdf

[3] Ekkehard Lentz: Deutsche Kriegsschiffe, Ossietzky Nr. 11-2020 (30.5.2020)

[4] https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/ig-metall-und-bund-gegen-soziale-schieflage

[5] https://augengeradeaus.net/2020/06/die-bundeswehr-und-das-corona-paket-etwas-mehr-klarheit-aber-noch-nicht-bei-ruestungsprojekten/

[6] Redaktionsnetzwerk Deutschland: https://www.rnd.de/wissen/giftstoff-gefahr-nabu-fordert-bergung-von-munition-aus-nord-und-ostsee-GH4KFDRPGXYU6BMIJAU4CRLBDI.html

 

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