Nicaraguas Außenminister Samuel Santos hat die bilateralen Probleme mit Deutschland in einem Interview mit weltnetz.tv als gelöst bezeichnet. Anfang 2012 hatte das FDP-geführte Entwicklungsministerium die Enzwicklungshilfe für das mittelamerikanische Land wegen politischer Differenzen um die Hälfte gekürzt. Im Dezember vergangenen Jahres nahm Deutschland die Kooperation dann über den mittelamerikanischen Staatenverband SICA wieder auf. Santos betonte zudem die Erfolge in der Sozialpolitik des Landes und die Bedeutung der Integrationspolitik in Lateinamerika und der Karibik.
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„Fortschritte in Nicaragua sind anerkannt“
Nicaraguas Außenminister Samuel Santos im Gespräch mit weltnetz.tv
Die deutsche Bundesregierung hat Anfang vergangenen Jahres wegen schwerer Verstößen gegen den Rechtsstaat, wie es hieß, die Entwicklungsgelder für Nicaragua um die Hälfte gekürzt. Im Dezember wurde die Kooperation über die Regionalorganisation SICA wieder aufgenommen. Sind die Probleme damit gelöst?
Ich denke, dass es bei dieser Frage um mehrere Aspekte geht. Es stimmt, dass Deutschland damals diese Entscheidung getroffen hat. Uns gegenüber wurde das damals damit erklärt, dass die Zusammenarbeit weltweit gemäß der eigenen Interessen neu geordnet. Davon seien vor allem Staaten in Afrika betroffen. Ich denke, es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass die Regierung von Präsident Daniel Ortega in Lateinamerika den sechsten Platz der Staatschefs mit der höchsten Akzeptanz einnimmt. Seine Zustimmungswerte belaufen sich auf mehr als 65 Prozent. Trotz dieser Zustimmung kann es sein, dass es sein, dass es in der Vergangenheit Klagen über Demokratiedefizite in Nicaragua gegeben hat. Aber das Gegenteil ist der Fall, weil die Demokratie tatsächlich gestärkt wurde. Deswegen sind die Zustimmungswerte für Präsident Ortega auf über 65 Prozent gestiegen. Und deswegen nimmt er in Lateinamerika den sechsten Platz der Staatschefs mit der höchsten Akzeptanz ein.
Trotz der Aussetzung eines Teils der Entwicklungshilfe hat die deutsche Regierung stets weiter mit Strukturen der sogenannten Zivilgesellschaft gearbeitet. Welche Gruppen sind das und wie steht die nicaraguanische Regierung dazu?
Sehen Sie, wir haben kein größeres Problem damit. Wir heben stattdessen immer hervor, dass es uns gelungen ist, in den vergangenen Jahren, den ersten fünf Jahren der revolutionären Regierung von Präsident Ortega, große Fortschritte in den wichtigsten Bereichen zu machen: bei den Problemen der Ernährung, bei den Problemen der Bildung, bei den Problemen der Gesundheit und bei den Problemen der internen Demokratie im Land. Diese Fortschritte sind beeindruckend und wurden von verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen anerkannt. Wie ist diese Entwicklung aber zu erklären? Wir haben in Nicaragua schlichtweg erkannt, dass es einen nationalen Entwicklungsplan zum Wohl der Menschen geben muss, bei dem ein Ziel vorgegeben wird, auf das alle Anstrengungen ausgerichtet werden. Früher gab es das nicht. Es gab einzelne Programme, die alleine keine Wirkung entfalteten. Es gab keine Fortschritte im Land, in den Lebensumständen der Menschen, im Gesundheitswesen. Nun ist alles auf diese Entwicklung ausgerichtet. Und die entsprechenden Fortschritte sind nicht nur von uns anerkannt.
Während ihres Besuchs in Deutschland werden Sie auch mit Ihrem Amtskollegen Guido Westerwelle zusammenkommen. Was sind die aktuellen Themen im bilateralen Dialog zwischen Nicaragua und Deutschland?
Es sind natürlich Gespräche, in denen es auf beiden Seiten Interessen gibt. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten wie etwa die Absicht Nicaraguas, sich für ausländische Investitionen zu öffnen. Nicaragua ist inzwischen eines der sichersten Länder des amerikanischen Kontinents, wo die Menschen am sichersten leben. Auch deswegen sind die Investitionen stetig gewachsen. Im Jahr 2006 lagen sie bei 280 Millionen US-Dollar, im vergangenen Jahr bei 1,102 Milliarden US-Dollar. Sie haben sich also fast vervierfacht. Und das ist ein Resultat des Friedens und der Demokratie im Land, des sozialen Friedens und der Freizügigkeit der Menschen. Das wird von ausländischen Investoren anerkannt.
Nun gibt es in Lateinamerika aber zahlreiche soziale Bewegungen, die das Freihandelskonzept der Europäischen Union kritisieren. Wie steht die nicaraguanische Regierung zu dem neoliberalen Freihandel der EU?
Wir haben ein Assoziationsabkommen mit der EU unterzeichnet. Nicaragua war das erste Land, das diesem Vertrag zugestimmt hat. Es gab darauf einen jahrelangen Prozess der Diskussion um die Inhalte, aber am Ende haben wir unterzeichnet und das Parlament hat zugestimmt. Die entsprechenden Dokumente wurden hinterlegt. Wir glauben, dass das ein guter Schritt war, denn Nicaragua betreibt mit verschiedenen Regionen und Ländern freien Handel. Das Assoziierungsabkommen mit der EU geht etwas über einen einfachen Freihandelsvertrag hinaus, beinhaltet ihn aber auch. Wir hatten uns darüber unlängst mit dem EU-Botschafter in Nicaragua, Javier Sandomingo, ausgetauscht, der darauf drängt, dass das Abkommen nun im Mai in Kraft tritt. Aber weil es durch einige zentralamerikanische Staaten und durch Vorbehalte der EU aufgehalten wurde, wird das Abkommen nun wohl erst Anfang August dieses Jahres in Kraft treten. Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass wir Freihandelsverträge mit anderen Staaten wie Chile unterhalten, den USA oder Taiwan haben. Nun kommt also auch die EU dazu.
Sprechen Sie mit Guido Westerwelle auch über die Demokratie in Honduras, wo die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung den Putsch 2009 offen unterstützt hat?
Nun, das war die eigene Entscheidung der Stiftung, die sich damals dazu entschlossen hat, diesen Putsch zu unterstützen. Nicaragua setzt sich aber dafür ein, dass in ganz Zentralamerika Frieden herrscht und dass der Drogenhandel und das organisierte Verbrechen bekämpft werden. Von seiner führenden Position bei der inneren Sicherheit aus unterstützt Nicaragua diese Anstrengungen in der gesamten Region.
Herr Minister, dennoch gibt es auch in ihrem Land kritische Stimmen gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega. Gibt es einen Dialog mit diesen Gruppen und Parteien?
Dieser Dialog ist nie abgebrochen worden. Aber diese Kontakte müssen geordnet verlaufen, damit sie in Resultaten münden. Deswegen wird dieser Dialog in der Nationalversammlung geführt, wo, wenn ich mich nicht täusche, zehn unterschiedliche Parteien präsent sind, entweder alleine oder in Bündnissen. Dort findet der Austausch zwischen den politischen Parteien statt, in geordneter Weise und vor allem fortlaufend. Und noch einmal: Ein Ergebnis dieses Dialogs ist das ruhige politische Klima im Land. Das ist die Grundlage dafür gewesen, dass Nicaragua 2012 mit 5,2 Prozent das Land mit den größten Wachstumsraten in der gesamten Region war.
Zugleich gibt es in Lateinamerika einen Prozess der regionalen Integration mit Bündnissen wie der ALBA, Mercosur und Celac. Hat das zur wirtschaftlichen Entwicklung Nicaraguas beigetragen?
Das ist ein Prozess, der in ganz Lateinamerika stattfindet. Der Integrationsprozess bedeutet zugleich die Anerkennung aller Staaten und jedes einzelnen Landes. Wir haben verstanden, dass wir vereint weiter kommen und uns besser unterstützen. Wir haben zum Beispiel das SICA als Bündnis der zentralamerikanischen Staaten. In diesem Verband setzen wir uns jeden Tag für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen ein. Aber es gibt auch das ALBA-Bündnis. Dessen Politik hat in jedem Mitgliedsstaat herausragende Ergebnisse vorzuweisen. All das war ein Vorbild für den Rest des Kontinents und Allianzen wie Mercosur oder Unasur. Überall setzen wir auf die Einheit, dies es uns Völkern ermöglicht, voranzukommen und unsere großen Probleme zu lösen, die nicht von einem Tag auf den anderen beseitigt werden können. Aber durch die Integration Lateinamerikas können die Probleme direkter, koordinierter und mit mehr Sicherheit angegangen werden.
Hugo Chávez war so etwas wie der Motor für die diesen Prozess. Welche Auswirkung hat der Tod des ehemaligen Präsidenten Venezuelas auf die Integration Lateinamerikas?
Vorweg eines: Der Tod unseren geliebten Bruders, des Präsidenten und Kommandanten Hugo Chávez ist ein schwerer Schlag, weil er ein Vorkämpfer der Einheit Lateinamerikas war. Er war auch ein Vorkämpfer für den sozialen Wandel, der in jedem unserer Länder stattfinden muss. Das beste Beispiel dafür ist Venezuela, wo er den Lebensstandard der Menschen erheblich verbessert hat. Natürlich ist sein Tod sehr schmerzhaft für uns, aber er motiviert uns auch. Sein Beispiel hält uns dazu an, all das, woran er geglaubt hat, zu erhalten und zu entwickeln. Weiter uns stärker, als er es sich vorgestellt hat.
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